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Die gute alte „Volksoperette“

LEHAR FESTIVAL / DER VOGELHÄNDLER

17/07/23 Es gibt Stücke, die kann man noch so oft totsagen, sie wollen einfach nicht sterben. Wie Carl Zellers Operette Der Vogelhändler aus 1891. Die Geschichte von den vagabundierenden Salontirolern in der Pfalz, der reschen Christel von der Post und den sexuell allzu aktiven Herren der besseren Gesellschaft hat, näher betrachtet, auch heutzutage ihre Berechtigung.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die deutsche Regisseurin Annette Leistenschneider kann auf über achtzig Musiktheater-Inszenierungen zwischen Innsbruck und Kiel zurückblicken. Sie versteht ihr Handwerk, das sie ganz bewusst in den Dienst des jeweiligen Stücks stellt. Also tragen die Leute aus Tirol Tracht, während die aus der Pfalz ein recht buntes Völkchen zwischen Lortzing-Welt und der Gegenwart sind. Also wird heftig und deftig Volksstück gespielt, welches sich mehrmals recht geschickt in eine Aristokraten-Farce verwandelt und zurück. Also entsteht Operette der konventionellen Art durch effektvolle Personenzeichnung und nicht durch deren Verfremdung – und dennoch gibt es Platz für zeitgemäße Anspielungen. Den MeToo-Holzhammer braucht man gar nicht erst auszupacken, das haben schon mit offensivem Witz die Autoren getan. Und dies lässt an gewisse Royals, Wirtschaft- und Kunstgurus denken, die sich heute ebenso wenig zu benehmen wissen wie Anno dazumal. Und der saisonale Fang von Singvögeln ist als lokales Kulturerbe im Salzkammergut nicht komplett verboten worden. So passt Der Vogelhändler wunderbar zum Lehár Festival in Bad Ischl.

Die rosaroten Rosen-Bühnenbilder (Sabine Lindner) und die farbenreichen Kostüme (Sven Bindseil) schrammen am Kitsch entlang, machen aber Spaß und wirken in dieser romantisch bebilderten Burleske passend, da sanft ironisierend. Die Choreographie (Katharine Glas) hat den richtigen Pep und einige parodistische Glanzlichter anzubieten, auch wenn ein zünftiger Schuhplattler für klassisch ausgebildete Tänzer sichtbar schwer ist. Das sonst patente Tanzensemble und der von Matthias Schuberwalter prägnant studierte Chor machen alles in allem Freude, auch weil die Regie in den Gruppen humorvolle Figuren zeichnet wie das Ischler Urgestein Giuseppe Preims als listiger Dorfpfarrer à la Don Camillo. Einen Eingriff gibt es: Die beiden den zukünftigen kurfürstlichen Menageriedirektor Adam prüfenden karikaturhaften Prodekane sind diesmal verkleidete Gärtnergesellen und verstärken als homosexuelles Paar die abschließende Verlobungsorgie. Warum nicht, wenn sie so komödiantisch dargestellt und markant gesungen werden wie von Ivo Kovrigar (Süffle) und Tomaž Kovačič (Würmchen).

Carl Zeller, der urösterreichische komponierende Staatsbeamte mit tragischen Ende, war kein besonderer Meister der harmonischen und instrumentalen Künste, aber ein grandioser Erfinder nicht mehr aus dem Ohr gehender Melodien in der volkstümlichen Schubert-Nachfolge. So entstand, immerhin versehen mit einem sehr opernhaften Finale des zweiten Aktes, der Prototyp der „Volksoperette“. Lieder wie Wia mei Ahnl zwanzig Jahr, Schenkt man sich Rosen in Tirol oder das Auftrittscouplet der Christel sind bis heute echte Schlager geblieben. Dirigent Marius Burkert zeigt sich wieder einmal als vifer Theaterkapellmeister und holt mit seinem schwungvollen Franz Lehár-Orchester das Maximum an Klangschönheit und schalkhafter Gestik aus der Partitur heraus.

Gesungen wird, soweit bei der diesmal teils unangenehm übersteuernden Verstärkung wahrnehmbar, ebenfalls auf hohem Niveau. Der stämmige Tenor David Sitka ist als Vogelhändler Adam ein goldrichtiger Naturbursch und findet im Ahnl-Lied zu sensiblem Sentiment, Jenifer Lary hat als Christel Herz und Stimme am rechten Fleck und erkämpft sich über alle Unbill hinweg ihr Glück. Die Frauen sind ja die Gewinnerinnen des Stücks. Corina Koller als Kurfürstin Marie, die mit offenbar leuchtendem Sopran das wundersame Lied Als geblüht der Kirschenbaum herzergreifend schön singt, schafft es, sich vom abwesenden Kurfürsten zu trennen. Die als indisponiert angesagte, sehr heutig gekleidete Patricia Nessy gibt eine skrupellos und trinkfest das Spiel der Männer mitspielende Adelaide und angelt sich im Finale den korrupten Baron Weps, dem man dank der pointierten Personifizierung durch den alten Opern-Haudegen Gerd Vogel nicht böse sein kann. Sein sexbesessener Neffe Stanislaus, Jonathan Hartzendorf, stellt einen zwielichtigen Luftikus dar und schlägt sich mit bemühtem Spieltenor in der eigentlich lyrisches Timbre verlangenden Rolle wacker. Am Ende vereint er sich mit einem weiblichen Spiegelbild, dem Dienstmädchen Jette, zielbewusst gegeben von Elisabeth Zeiler. Und auch der direkt dem Biedermeier entsprungene Schulmeister Schneck (Tim Winkelhöfer) findet seine dralle Ersatzmutter Frau Nebel (Klára Vincze).

Es gibt genug Opern, die mit lauter Leichen enden – sei es im Original oder in modernen Interpretationen. Wie schön, dass es ein ohnehin augenzwinkerndes „Ende gut, alles gut“ auch noch geben darf. Beste Unterhaltung für laue Sommerabende.

Aufführungen bis 27. August – „Schön ist die Welt“ von Franz Lehàr hat als halbszenische Produktion am 11. August Premiere – www.leharfestival.at
Bilder: Lehár Festival / Foto Hofer

 

 

 

 

 

 

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