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Von Orchideen, Schlangen und Rassenhass

BUCHBESPRECHUNG / ROEMER / VOM WAHNSINN EINER FRAU

26/04/24Ich bin Nunka, das bedeutet: nie mehr. Aus zwei Gegensätzen geboren, einer Frau und einem Mann, die sogar meine Träume aufreißen. Ich bin Frau, obwohl ich nicht weiß, wo das Frausein beginnt und wo es endet, und in den Augen der anderen bin ich schwarz und warte jedes Mal von Neuem ab, was das bedeutet.“

Von Christina König

Astrid H. Roemers lyrischer Roman über Feminismus, Postkolonialismus und Queerness, ursprünglich 1979 erschienen, jetzt von Bettina Bach aus dem Niederländischen übersetzt, begeistert und wühlt auf – heute wie damals.

Wir befinden uns in Suriname, Südamerika, irgendwann um 1950, in einer Welt, in der die Erinnerungen an Sklaverei ebenso lebendig sind wie Geschichten von weißen Plantagenbesitzern, die Rotschwanzboas gegen die Rattenplage gehalten und die Sklaven in Panik versetzt haben, einer Welt, in der heidnische Götter verehrt und verachtet werden, in der selbst die Schwarzen andere Menschen verachten, die noch dunkler sind als sie.

In dieser Welt lebt Nunka, eine junge Lehrerin, die das sucht, was alle jungen Frauen zu dieser Zeit suchen: einen wohlhabenden Mann, einen „schwarzen Ritter von einer blauen Insel (…) im Hollywoodkostüm, mit Fotoapparat über der Schulter und Dollars in der Tasche“. So einen findet sie in Louis, der ihr wenig Wahl lässt: „Du wirst meine Frau.“ Nunka, keine Jungfrau mehr, selbstbewusst, eigensinnig, diktiert ihre Bedingungen: Sie scheut Hausarbeit, will sich nicht abrackern, keine Kinder. Louis stimmt zu. Nach neun Tagen Ehe hämmert Nunka bei strömendem Regen an die Tür ihrer Eltern und weigert sich, zu ihrem Mann zurückzukehren – Louis hat sie vergewaltigt.

Die Konsequenzen sind harsch: Nunka muss ihre Heimat verlassen, verliert ihren Job. Unterkriegen lässt sie sich nicht. Sie besteht auf ihr Recht auf Selbstbestimmung, hat Liebhaber, lässt eine Abtreibung durchführen, ohne mit dem Kindsvater zu sprechen, verliebt sich in eine weiße Frau. Die Welt zahlt es ihr heim.

Für Nunkas harten Kampf könnte Roemer ebenso harte Worte finden. Sie tut es nicht. Im Gegenteil: Der Roman ist sinnlich, lyrisch, mystisch, gleitet fließend von einer Szene in die andere, lässt uns in der Schwebe hängen, breitet ein geheimnisvolles Halbdunkel über die Handlung. Flüche, vor denen sich die Protagonistin abergläubisch fürchtet, genau wie häufige Anspielungen auf Religion und Träume passen perfekt zu Roemers Schreibstil. Symbolisch greift sie immer wieder auf Beschreibungen der Pflanzenwelt zurück: Da wimmelt es vor schamlos wuchernden Wurzeln, blühenden Trieben, stacheligen Limettenbäumen, überreifen Erdfrüchten. Ihre Sprache ist dekadent, lebendig, üppig wie die Pflanzen, von der sie schreibt. Eine besondere Rolle spielt die Orchidee, die sich als Leitmotiv durch den gesamten Roman zieht, mit der er auch beginnt: mit der Art „Höhlung der Phallusscheide“, die im nächsten Teil einer Hinrichtung mit zweimal reißendem Seil gegenübergestellt wird – die sexuell konnotierte Schönheit der Blume trifft auf die Grausamkeit, die uns im Roman erwartet.

Die Liebesgeschichte zwischen Nunka und einer älteren weißen Frau, die im Klappentext zentral angekündigt wird, nimmt weniger Raum ein als gedacht und beginnt erst im letzten Teil des Romans. Ebenso wichtig ist die symbiotische Beziehung Nunkas zu ihrer Mutter, die Nähe ebenso schwierig macht wie Abgrenzung. Diese Liebe sucht Nunka nun anderswo: „Mama, darf ich eine Frau lieben? Darf ich einen Ersatz suchen für die Liebe, die du mir geschenkt hast? Oder muss ich dem Geschöpf aus dem Weg gehen, das mir am vertrautesten ist?“

Es ist die Art von Roman, die man sofort ein zweites Mal lesen möchte, weil noch so viel darin steckt, das man verpasst, nicht verstanden hat, und weil das völlig in Ordnung ist; man möchte sich noch einmal in Roemers poetische Worte wühlen. Vor allem möchte man eins: ein glücklicheres Ende.

Astrid H. Roemer: Vom Wahnsinn einer Frau. Roman. Übersetzt von Bettina Bach. Residenz Verlag, Salzburg 2024. 356 Seiten, 28 Euro – www.residenzverlag.com

 

 

 

 

 

 

 

 

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