Anruf vom Lungauer Sternenhimmel
SUPERGAU / LUNGAU
15/06/22 Es heißt, im Lungau gebe es keine Verkehrsampeln – hält das eigentlich noch einer Überprüfung stand? Ganz sicher aber sind dort einige Lichtquellen weniger. Man ist also besser dran mit dem Sterngucken als anderswo. URSA MAJOR (minor est!) heißt einer der Beiträge für das Kultur-Festival Supergau im Mai 2023.
Von Reinhard Kriechbaum
Wie die geplante Land-Art-Sternen-Installation von dem Italiener Luca Serasini konkret aussehen wird, davon lassen wir uns überrschen. Neugierig macht uns, dass acht „interaktive elektronische alte Telefone“ (das muss einem einfallen!) den Besucherinnen und Besuchern „einige alte Überlieferungen und Geschichten über den Großen Bären und den Polarstern zu erzählen“ sollen. Das steht alles so auf der Supergau-Website.
Im Mai 2023 ist zum zweiten Mal das Land-Kulturfestival angesagt. Dass es im Lungau stattfinden wird, war schon länger bekannt. Unterdessen hat eine Jury aus 411 Einreichungen aus 44 Ländern (von Albanien bis Zypern) fünfzehn Projekte ausgewählt. Am kommenden Wochenende (17. bis 19. Juni) kommen fast alle beteiligten Künstler in Mauterndorf zusammen. Ein Aspekt ist ja die Vernetzung und der möglichst enge Bezug zur Region. Zwei weitere Künstler-Residenzen folgen im September 2022 und im Märtz 2023. „Eben dieses Sichtbarmachen des Prozesses und das gemeinsame Arbeiten an dem Festivalprojekt machen die besondere Atmosphäre von Supergau aus“, heißt es in einer aktuellen Pressemeldung.
Die ausgewählten Projekte sind online bereits sichtbar gemacht – jedenfalls die guten Absichten. Eine ziemlich internationale Gesellschaft wird da zusammenkommen. Den weitesten Weg hat die Künstlergruppe Studio Klampisan, die mit ihrem Projekt foolish land cleaners auf Wanderungen mit Publikum Fragen nach Landbesitz und unserem Verhältnis zur Natur stellen. Weil die drei aus Indonesien kommen, sind sie beim ersten Treffen noch nicht dabei – dafür wäre der ökologische Fußabdruck durch das Kunstprojekt denn doch zu groß.
Post festum werden wir wahrscheinlich wissen, was es mit dem (so gut wie ausgestorbenen) Brauch des Stieflerhupfns auf sich hat. Stiefler sind die Stangen sind, auf denen einst das Heu zum Trocknen aufgehäuft wurde – das war, bevor Plastiksäck alles Gemähte verschluckt haben. „In diesem Jahr befassten sich besonders viele KünstlerInnen mit dem Thema Umwelt, mit der Beziehung zwischen Mensch und Natur oder mit der Abwanderung“, freut sich LHStv. Heinrich Schellhorn.
Sich wandelnde Arbeits- und Lebenswelten sind bei einem Festival natürlich starke und nahe liegende Themen. Das Kurort Kuratorium schafft mit der Vibra Alpina eine neue Wellness Oase, die „vermeintlich heilende Schwingungen des Tauerntunnels in erholsame Anwendungen umwandelt“.Schwingungen haben wir bisher eher im Stau vor dem Tunnel verspürt, aber es fehlt uns eben die künstlerische Sensibilität, diese in Heilkraft zu transformieren.
Genderbewusstsein verspricht die „Traktor.Strick.Techno.Performance“ Feldarbeiter*innen. Elisabeth Falkinger, Petra Sturm, Johanna Schlömicher, Veronika Persché und Clara Jacquemard – eine Landschafts-, eine Strick-, eine Sound- und eine Videokünstlerin – verwandeln eine Wiese in ein modernes Feld und machen Arbeitsfelder sichtbar, in denen Frauen gemeinsam tätig sind. Von der Erntearbeiterin bis zur Kulturarbeiterin. Johanna Lettmayer arbeitet an einem Audioguide L wie Liab, einem Sprachführer für Lungauerisch. Wenn in Tamsweg das nächste Eachtling-Festival stattfindet, verstehen mehr auswärtige Leute, welche Feldfrucht ihm den Namen gegeben hat. Für Irritationen sorgen backhaus+froschauer mit seltsamen Phänomenen im Prebersee – Blubb und Lall heißt ihr Projekt. Fabian Lanzmeier und Andreas Zißler schaffen mit Habitat 23 eine begehbare Klanginstallation auf einer Halbinsel in der Mur südlich von St. Michael mithilfe von Parabol-Reflektoren.
Die Topografie der Landschaft sowie die Bewegungen der BesucherInnen formen den Klang und werden Teil der Komposition. Ebenfalls mit Sound agieren die beiden Salzburger Künstler Matthias Leboucher und Stefano Mori. Shapes of Rain wird ihre Installation heißen, auch da ist Interaktion angesagt, ähnlich wie bei der Polterorgel, einem neu erfundenen Instrument von Florian Gwinner, der aus einem Polter, einem Holzhaufen, eine übergroße Orgel schaffen möchte, die frei bespielt werden kann.
Jury-Mitglied Matthias Osterwold: „Der Lungau ist die entlegendste, stillste, unberührteste Region im Salzburger Land – ein Biosphären-Reservat mit ausgeprägt ländlichem Charakter. Die Jury war daher bemüht, solche künstlerischen Vorhaben auszuwählen, die besonders geeignet sind, auf die Menschen vor Ort, ihre Lebensweise, ihre Traditionen, ihre Wirtschaftsformen und auf die Landschaft einzugehen und einen ebenso heiteren wie kritischen Dialog zu entfachen.“
Zehn Tage wird der Supergau im Lungau dauern, mit anhaltenden Verwüstungen ist nicht zu rechnen, sondern mit Bereicherung: Zeitgenössische Kunst ins Land zu bringen, sogar „entan Tauern“, ist ja dass erklärte Ziel der Initiative. Sehr positiv fällt auf, dass nicht die „üblichen Verdächtigen“ auf der Künstlerliste stehen, dass also wohl wirklich neue Impuulse zu erwarten sind.
Supergau Festival, Ende Mai 2023 im Lungau – www.supergau.org
Bilder: www.supergau.org