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Blicke auch in die Tiefen der Zeit

LEHAR FESTIVAL / MÄRCHEN IM GRAND HOTEL

08/07/24 Paul Abrahams Revue-Operetten sind auf die Bühnen zurückgekehrt. Mit Märchen im Grand Hotel, uraufgeführt 1934 im Theater an der Wien, wiederentdeckt 2017 in Berlin, begann das Lehár Festival in Bad Ischl. Jubel, Trubel Heiterkeit, auf der Bühne und danach. Der unwiderstehliche Swing-Jazz ist ebenso zeitlos wie das dazwischen sanft ironisierte Sentiment der späten Operette.

Von Gottfried Franz Kasparek

Im Theater an der Wien gastierte damals das Theater in der Josefstadt. Otto Preminger betätigte sich als Operetten-Regisseur. Denn die zwischen Hollywood und Cannes angesiedelte Komödie nach französischem Vorbild war eigentlich ein Kammerspiel mit Musik. Der aus Berlin, der Stadt seiner Triumphe, vertriebene Paul Abraham fand in seiner Heimat Budapest und noch mehr in Wien eine kränkelnde Operettenkultur vor. Während sich Nico Dostal und der „jüdisch versippte“ Eduard Künneke an der Spree mit den Nazis mehr oder weniger arrangierten, starben an der Donau die Theater. Franz Lehár strebte nach Opernlorbeeren, Emmerich Kálmán kam an frühere Erfolge kaum mehr heran. Abraham war der Mann der Stunde, ehe er weiter flüchten musste, in ein tragisches Ende.

Mit 65 Aufführungen konnte sein exquisit instrumentiertes Singspiel nicht an Viktoria und ihr Husar und Die Blume von Hawaii anschließen. Lag es am Libretto? Was Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda geliefert hatten, ist doch eine etwas mühsam aufgekochte, in Grunde alte Schablone. Da kommt die munter steppende, schon damals „coole“ Marylou aus Hollywood nach Cannes, weil sie die kriselnde Filmfirma ihres Papas retten will. Sie trifft im Grand Hotel auf eine aus Spanien vertriebene Infantin (was freilich 1934 aktuell war), in die sich ihr Zimmerkellner unsterblich verliebt hat, während der als standesgemäßer Prinzgemahl vorgesehene fesche Österreicher Andreas Stephan heftig mit dem kessen US-Girl anbandelt. Kurz und gut, nach allerlei komischen Verwicklungen entpuppt sich der Kellner als Neffe eines französischen Hotelmillionärs und die Paare kommen dem Genre entsprechend zusammen – in Hollywood, wo sie alle Filmstars werden.

Dahinter schwebt natürlich Vicki Baums Bestseller-Roman Menschen im Hotel. Kostbar ist die Musik, die allerdings aus dem Ischler Graben in einer Bearbeitung von Matthias Grimminger, Henning Hagedorn und Dirigent Christoph Huber kommt. Für das von Abraham selbst vorgesehene, gleichsam instrumental eingesetzte Männerquartett a la Comedian Harmonists ist da leider kein Platz und das „josefstädtische“ Kammerensemble klingt etwas aufgestockt, wenn auch spritzig und nuancenreich musiziert wird. Die Melodien zünden, doch ohne so im Ohr zu bleiben wie der der Vorgängerstücke.

Löhner-Beda, dem gemeinsam mit seinen Libretto-Kollegen „Brammer & Grünwald“ eine sehr sehenswerte und berührende Ausstellung im Foyer gewidmet ist, hat pfiffige, aber doch etwas unter seinem sprachspielerischen Niveau stehende Liedertexte geschrieben. Nach der Uraufführung gratulierten Bundeskanzler-Diktator Engelbert Dollfuß, Schuschniggs Frau und Max Reinhardt. Der per se nicht rassistische „Ständestaat“ galt häufig auch bei Intellektuellen jüdischer Abstammung als Bollwerk gegen den Nationalsozialismus.

Ein beachtenswertes Zeitdokument ist Märchen im Grand Hotel allemal. Für schwungvolle Unterhaltung und lyrische Besinnlichkeit zwischen mitunter gerade noch erträglichem Klamauk, manchmal bedrohlich wetterleuchtendem Unheil und geschickter Charakterisierung der Personen sorgen der mit allen Theaterwassern gewaschene Regisseur Thomas Enzinger, die Choreographinnen Evamaria Mayer und Marie-Christin Zeisset, der funkelnde Räume schaffende Bühnenbildner Markus Olzinger und Sven Bindseil mit bunten und doch recht geschmackvollen Kostümen. Die im Text der Zeit seiner Entstehung entsprechend auftauchende „politische Inkorrektheit“ samt „Indianerballett“ wird witzig persifliert. Dass anfangs nicht nur die obligate, emphatische Begrüßung durch Intendant Enzinger, sondern auch die diversen Eröffnungsansprachen in ein Casting für einen Film eigebunden sind, dass Kammersänger Herbert Lippert diese als neuer „Botschafter“ des Lehár Festival launig moderiert, dass die Bühne im Hollywood-Studio von lustigen Statisten belebt wird, die Ginger Rogers, Fred Astaire, Buster Keaton. King Kong und so weiter darstellen, macht Spaß.

Die offenbar unumgängliche Verstärkung der Gesangsstimmen führt zu Beginn zu Anschlägen auf das Gehör, mäßigt sich jedoch im Lauf des Abends und wenn die beiden Opernstimmen auf der Bühne – Julia Koci mit feinem Sopran als Infantin Isabella und der mit schönem Schmelz gesegnete Tenor Maximilian Mayer als ihr treuloser Prinz – zu Duetten und Liedern ansetzen, scheint sie zu entschwinden. Der patente Chor bleibt von Mikroports befreit, was zu Balanceproblemen führen kann.

Gesanglich und komödiantisch ansprechend wirken auch Susanna Hirschler (Hoteldirektorin und Filmregisseurin) und der mit einer ausnehmend gut geführten Buffostimme überraschende Schauspieler Oliver Severin als seine Klugheit hinter Ungeschick versteckender Zimmerkellner Albert. Sebastian A.M. Brummer brüllt als Filmmogul outrierend herum, aber siehe da, den noblen Hotelier gestaltet er mit eher leisen, eleganten Tönen. Walter Sachers ist als spanische Hofdame eine nette Variante von „Charleys Tante“. Die Tanzgruppe ist fabelhaft flott unterwegs. Gefeiert wird am Ende besonders Nina Weiß als Marylou, für die Steppen offensichtlich die natürlichste Art der Bewegung ist. Von Kopf bis Fuß ist sie ein schlankes, rankes und blitzgescheites Girl, dessen frecher Gesang auch aus einer „Neuen Welt“ kommt. Insgesamt ist das vergnügliches Sommertheater mit ein paar vielsagenden Blicken in die Tiefen der Zeit.

Weitere Vorstellungen bis 24. August – www.leharfestival.at
Bilder: Lehár Festival / www.fotohofer.at

 

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