Die Grand opera überzeugt auch im Kleinformat
MÜNCHEN / DIE HUGENOTTEN
03/09/21 Mit Opern „in hoher Qualität, besetzt mit durchwegs jungen Talenten“ an „ungewöhnlichen Orten“ will das Münchner Ensemble opera incognita überraschen. Das gelingt diesmal mit einer ganz stark eingekochten Fassung von Giacomo Meyerbeers Die Hugenotten.
Von Hans Gärtner
Meyerbeers Werk aus dem Jahr 1836, seit dreißig Jahren in München nicht aufgeführt, ist hier von vier auf zwei Stunden gekürzt und nur einem Dutzend Instrumentalisten anvertraut. Dazu acht Solisten und 25 Chorsänger – und das für eine „Grand opera“ schlechthin! Die Allerheiligen-Hofkirche der Residenz München, dieser strenge Klenze-Bau in dichter Nähe zum Nationaltheater, erweist sich wieder als einer der feinsten Theaterräume Münchens.
Vor der farbig unterschiedlich ausgeleuchteten halbrunden Backsteinziegelwand erleben die 140 zugelassenen, im Kirchenschiff sorgsam verteilten FFP 2-Maskierten hörend, sehend, mitleidend, das kompliziert-altbackene Deutsch des Scribe-Textes und seltsame Luftballon-Spiele ertragend ein Verwirrspiel, das hohe Aufmerksamkeit abverlangt: Minne, Eifer- und Rachsucht, religiöser Fanatismus zwischen den erzkatholisch Schwarz- und calvinistisch-protestantisch Weiß-Gekleideten. Das mündet zu phonstarker „guter“ Letzt in die hoier von Massaker-Blut freie Bartholomäusnacht des 28. August 1572.
Die kleine Schar tüchtiger, flexibler Instrumentalisten, angefeuert und bei der Stange gehalten von Meyerbeer-Arrangeur und musikalischem Leiter Ernst Bartmann, bleibt, ins Links-Außen gerückt, in gewisser Weise Nebensache. Das hat bei der Premiere gerade an den heiklen Stellen zu wackeligen Verständigungen zwischen Chor (namentlich wenn man ihn auf die rechte Empore schickte) und Solisten geführt.
Mit seinen Sängerinnen und Sängern aber ist der Dirigent in bestem Kontakt. Eine bloß „halbszenische“ Aufführung? Von wegen! Schon die bildschönen Kostüme (Aylin Kaip) sprechen dagegen. Auch die perfekt agierenden Protagonisten, erst recht der grandiose Einfall des Regisseurs, die von der Oberammergauer Passion her bekannten „Lebenden Bilder“ einzusetzen – da hat man doch genug „Szenerie“. Und alles ohne Krampf. Man spart sich (hier schlecht mögliche) Um-Bauten und Schauplatzwechsel. Alles fließt ineinander und ist zum allergrößten Teil Ohrenschmaus. Dafür sorgen, die Männer weit hinter sich lassend (auch wenn der alte Haudegen Marcel alias Torsten Petsch mit „Ein feste Burg...“ noch so draufhaut und sich Raoul (Manuel Ried) respektabel schlägt, die schönen Damen – vor allem die berückend singende katholische Königin Margarethe (Ines Bergk) und die nach all dem Gerangel und Gemetzel bis zum Tode herrlich singende Valentine (Dafne Boms).