75.000 Fliegen haben kein Fliegengewicht
JUBILÄUM / 950 JAHRE STIFT ADMONT
05/01/23 Zum Hineinbeißen, wie sie da liegen, die Äpfel und Birnen, von denen unsereiner gar nicht ahnt, dass es sie überhaupt gibt – oder zumindest gegeben hat: Gestreifter Süßling heißt eine, Rot-graue Kelch-Reinette eine andere und wieder eine andere Frucht ist als Weiße Herbstbutterbirne ausgewiesen.
Von Reinhard Kriechbaum
162 Äpfel und sechzig Birnen hat der Benediktinerpater Konstantin Keller (1778–1864) naturgetreu in Wachs modelliert. Diese Kollektion, ein Wachsfigurenkabinett des steirischen Kernobstanbaus sozusagen, ist eine der besonders liebenswürdigen Facetten der klösterlichen Museumslandschaft im Stift Admont, die ihresgleichen sucht an Umfang, Qualität und Sinnesfreude.
Am Beginn standen eine Heilige und ein Salzburger Erzbischof. Die Gräfin von Friesach-Zeltschach, besser bekannt als die Heilige Hemma von Gurk, hatte viel Landbesitz auch in der Obersteiermark. Als eine der reichsten Frauen ihrer Zeit hat sie ihr Vermögen für soziale Zwecke verwendet. Ihrem Willen, ein Kloster zu stiften, ist Erzbischof Gebhard von Salzburg 1074 mit der Gründung des Benediktinerstiftes Admont nachgekommen. Also vor 950 Jahren. Ein guter Anlass, wieder einmal auf die außerordentlichen Kunstschätze des Stifts und ihre sagenhaft effektvolle Präsentation zu erinnern.
Noch vor der Milleniumswende hat man im Stift Admont begonnen, mächtig in die Kultur zu investieren. Im Verlauf von zehn Jahren hat man damals 14 Millionen Euro allein in den Museumsumbau gebuttert, davon 12 Millionen aus Eigenmitteln. In die Restaurierung der Bibliotheksräumlichkeiten und der Bücherbestände flossen noch einmal fünf Millionen Euro. 2003 wurde auf auf einer Fläche von 7500 Quadratmetern der Steiermark größtes privates Museum eröffnet. Es erstreckt sich über drei Geschosse und zwei Trakte. „Seine Ausstellungsfläche entspricht der Größe von etwa 36 Einfamilienhäusern“, heißt es auf der Website des Stiftes. Nach dem Joanneum in Graz ist es das zweitgrößte Museum im Bundesland Steiermark.
Was hat nicht alles Platz in dieser klösterlichen Museums-Erlebniswelt! Natürlich haben die Kunstbestände ihren eigenen Trakt bekommen. Die Werke des Stiftsbildhauers Josef Stammel (1695–1765) zählen zu den Spitzenwerken steirischer Skulptur. Die Prachtornate von Frater Benno Haans (1631–1729), einem aus Dänemark stammenden Laienbruder, gehören zur prachtvollsten Paramentik der Epoche.
Aber man hat sich bei der Konzipierung dieses Museums keineswegs auf „alte“ Kunst beschränkt. Der Ehrgeiz ging dahin, auch der Gegenwartskunst den ihr gebührenden Raum zu bieten – und dabei den „profanen Bereich“ durchaus nicht auszugrenzen. So hat man über Jahre im Rahmen des Programms Made für Admont Kunstschaffende ins Stift eingeladen. Sie beobachteten das Leben im Kloster, und aus dem Dialog mit den Mönchen ergaben sich neue Denkansätze, Zustimmung und Widersprüche – ortsspezifische Kunst jedenfalls im Spannungsfeld zwischen sakral und profan. Jede österreichische Galerie wäre stolz, könnte sie eine solche Bandbreite an klingenden Namen und Vertretern der aktuellsten Strömungen vorweisen. Malerei und Fotokunst sind Sammlungsschwerpunkte.
Ein weiterer Bereich in der Admonter Museums-Erlebnislandschaft gilt den naturhistorischen Sammlungen. Pater Gabriel Strobl (1846–1925) war Botaniker und ein unermüdlicher Insektensammler. 252.000 Insekten hat er im Laufe seines Forscherlebens aufgespießt. Die Fliegensammlung hat beileibe nicht Fliegengewicht: Mit 75.000 Präparaten gehört sie zu den drei bedeutendsten in Europa.
Die ausgestopften Tiere hat man in jenen altmodischen Schaukästen belassen, die Pater Strobl 1906 eingerichtet hat, als das Naturhistorische Museum des Stifts wiedereröffnet wurde – nachdem das einstige Naturalien-Cabinet des Klosters von 1809 beim großen Brand 1865 vernichtet worden war. Heimische und exotische Tiere, Mineralien, Herbarien – all die Exponate, teils mit historischem Flair dargeboten, teils in moderner Präsentation, zeugen von der Gelehrsamkeit der Mönche auch im naturwissenschaftlichen Bereich.
Aber nach Admont fährt man vor allem der Bibliothek wegen. Vom „Achten Weltwunder“ war die Rede, nachdem dieser weltgrößte Büchersaal 1776 vollendet war. Der Superlativ „Größte Klosterbibliothek der Welt“ bezieht sich nicht auf die Zahl der Bücher, sondern auf den Raum mit sieben Kuppeln. Er ist siebzig Meter lang, 14 Meter breit und 13 Meter hoch, ausgeschmückt mit Fresken von Bartolomeo Altomonte und Figuren von Josef Stammel. Der berühmte Teufel mit der Brille ist so etwas wie das künstlerische Maskottchen. Mit dem Wunderbaren verbindet man die Admonter Bibliothek auch aus einem anderen Grund: 1865 brach ein verheerender Brand aus, dem fast die gesamte Klosteranlage zum Opfer gefallen ist. Nur die Bibliothek hat man retten können. Auch wenn im Winter die Bibliothek und das Museum geschlossen haben, kommen viele Besucher hierher. Denn die riesige Weihnachtskrippe des Josef Stammel in der (neugotischen) Stiftskirche gilt als kunsthistorische Attraktion.
Wo kommt eigentlich die finanzielle Potenz von Stift Admont her, dass man sich all die Kunst und Kultur leisten kann? 26.000 Hektar Grundbesitz, davon 17.000 Hektar Waldfläche nennt das Stift sein Eigen. Damit steht Admont auf der Liste der kirchlichen Großgrundbesitzer ganz weit vorn, gefolgt von Heiligenkreuz mit 19.000 und Klosterneuburg mit knapp 12.000 Hektar.
Es ist nicht die Forstwirtschaft selbst, die den Segen bringt, sondern die nachhaltige industrielle und gewerbliche Nutzung ihrer Produkte. Da gibt es die Dielen- und Parkettfabrik Stia und ein anderes klostereigenes Unternehmen produziert Türen und Fenster. Die Klosterfirmen kommen gemeinsam auf einen Jahresumsatz von weit über 100 Millionen Euro.
Der Abt von Admont ist also durchaus ein „Industriekapitän“, auch wenn sich das Wort für einen benediktinischen Kirchenmann verbietet. „Wir treffen einander drei Mal pro Tag zum Gebet und sitzen nicht nur vor dem Computer“, versicherte der damalige Abt Bruno Hubl vor vielen Jahren dem Schreiber dieser Zeilen. Der Konvent selbst verstehe sich eher als „Aufsichtsrat“. Das Stift beschäftigt unmittelbar rund fünfhundert Mitarbeiter und sichert 950 Arbeitsplätze in der Region. „So tiefschwarz wie die Kutten der Mönche sind auch die Zahlen der Bilanz“, urteilte eine österreichische Wirtschaftszeitung nach der Fertigstellung des Museumskomplexes.
Stift Admont, 1074 vom Salzburger Erzbischof Gebhard gegründet, besitzt seit frühester Zeit auch Weingüter im heutigen Slowenien. Im Zweiten Weltkrieg sind diese Besitzungen verlorengegangen, doch mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden Teile davon zurückerstattet. Dveri-Pax d.o.o. heißt die Weinkellerei, die in den Weingärten bei Maribor, Ljutomer-OrmoÏ und Radgona-Kapela mehr als 50.000 Flaschen im Jahr produziert.
Am 20. März öffnet das Museum im Stift Admont, es hat bis 3. November geöffnet, die Bibliothek bis 15. Dezember – stiftadmont.at
Bilder: dpk-krie