Ein Mendelssohn aus Amsterdam
CD-KRITIK / JOHANNES BERNARDUS VON BREE
22/10/24 Die Frage nach dem Namen eines niederländischen Komponisten der Romantik könnte einen doch glatt in Verlegenheit bringen. Aber der Name Johannes Bernardus van Bree wird wohl auch den wenigsten niederländischen Konzertgängern ein Begriff sein. Die Geschichte hat längst ihr Urteil gefällt.
Von Reinhard Kriechbaum
Und doch: Es lohnt hineinzuhören in jene Aufnahme zweier Konzertouvertüren, eines Violinkonzerts und einer Fantasie in Form einer Symphonie, vorgelegt von der Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens. Da kann man sich nämlich gut hineindenken in den Geschmack und die Erwartungen eines bürgerlichen Publikums in den 1840/1850er Jahren. Jenes von Amsterdam, wo Johannes Bernardus van Bree (1801-1857) wirkte, tickte wohl nicht viel anders als die Leipziger Zuhörerschaft. Fürs Gewandhaus hatte man freilich mit Mendelssohn, dem Vorbild schlechthin für den niederländischen Kollegen, die entschieden bessere Karte gezogen.
Der Konzertsaal in Amsterdam, in dem Johannes Bernardus van Bree als Kapellmeister wirkte, trug den Namen „Felix Meritis“. Das Concertgebouw wurde ja erst 1888 eröffnet. Zur Wiedereröffnung dieses damals renovierten Konzertsaals komponierte van Bree 1845 die Fantasie in Form einer Symphonie, ein mit 22 Minuten Spieldauer bekömmlich kurzes Stück mit ineinander übergehenden Sätzen (die langsame Einleitung gibt einen eigenen Satz ab, so dass das Stück fünfsätzig ist). Die Eigenheiten sind schnell ausgemacht: Griffige melodische Einfälle zeichnen van Brees Musik aus, aber viel wichtiger als symphonische Verarbeitung dieser Themen scheint ihm gewesen zu sein, die Fähigkeiten seiner Musiker-Kollegen herauszustreichen. Da purzeln immer wieder recht anspruchsvolle Holzbläsersoli hervor, eingängig, gefällig, charmant. Selbst die Orchestereinleitung zu dem einzigen erhaltenen Violinkonzert überrascht mit einem respektablen Hornsolo – da könnte jemand, der nicht ins Programmheft geschaut hat, womöglich überrascht sein, dass sich die Sache zu einem Violinkonzert entwickelt.
Parallelen zwischen Mendelssohn und Johannes Bernardus van Bree sind nicht zu übersehen: Beide waren sehr jung, als ihnen die Leitung der jeweiligen Musikinstitution anvertraut wurde. Auch der Niederländer hat einige Oratorien aus der Barockzeit wiedererweckt. Im Gestus mancher Themen ist van Bree deutlich auch an französischen Vorbildern der Zeit orientiert, aber er war nicht annähernd so wagemutig wie Berlioz. Als Geiger kannte der Niederländer die einschlägige Literatur von Viotti aufwärts. Sein Konzert in d-Moll könnte man dem damals in Sachen Violinkonzert maßgeblichen Louis Spohr unterschieben – es würde kaum auffallen. Die beiden Orchesterouvertüren (h-Moll, Es-Dur) wiederum könnten sich gut zu einer Schumann-Symphonie und natürlich zu Mendelssohns Meeresstille und glückliche Fahrt gesellen.
Wie umgehen mit diesen Stücken? Im Violinkonzert lässt uns Ariadne Daskalakis nachfühlen, dass der Solopart eben von einem Geiger erdacht und sich selbst „in die Finger“ geschrieben ist, durchaus kommod. Auch Michael Alexander Willems hütet sich mit der Kölner Akademie vor Zuspitzungen, die eher Schwächen dieser Musik bloßlegen würden. Da sind die gewählten moderaten Tempi viel eher angebracht, ein lustvolles Auskosten der eingängigen Melodik. Einen gewissen Charme kann man dem „Amsterdamer Mendelssohn“ gewiss nicht absprechen.
Johannes Bernardus van Bree: Violinkonzert, Fantasie in Form einer Symphonie, zwei Ouverturen. Cpo 777 743-2