Gesänge der Geister unter dem Wasserfall
HINTERGRUND / SCHUBERT IN GASTEIN
15/04/14 Was kann man erleben, wenn man Mitte September in Bad Gastein zu Gast ist? Eine geführte Almwanderung und einen Schafabtrieb mit Tausenden Tieren. Und „Schubert in Gastein“. Die drei Dinge kann man im Paket buchen.
Von Reinhard Kriechbaum
Längst reicht es nicht mehr, die Highlights einer touristischen Destination auf Hochglanz zu drucken und als Postwurf zu verteilen. Imagebildung ist angesagt, und im günstigen Fall profitieren mehrere Seiten von solchen Unternehmungen. Im gegenständlichen Fall, dem heuer zum zweiten Mal stattfindenden Festival „Schubert in Gastein“, darf der Ort auf Mundpropaganda im gehobenen kulturtouristischen Segment hoffen. Die Nürnberger Versicherung kann für sich auch einen Ansehensgewinn verbuchen: Sie hat nicht nur den Tenniswettbewerb „Gastein Ladies“ ins Leben gerufen und Schubert, der sich 1825 hier aufgehalten hat, in dem diesem Versicherungskonzern gehörenden Hotel „Europäischer Hof“ als Bronzefigur aufgestellt. Nun ist man also auch Kultursponsor dort.
Dritter Gewinner ist die Camerata Salzburg, die nun zum zweiten Mal ein kleines, feines Festival ihr Eigen nennt, auf dem sie sich als Kammerorchester und in unterschiedlichen Kammermusikformationen Schubert widmen kann. Zum Geldverdienen macht man so etwas nicht, von goldenen Nasen keine Spur: „Dass wir hier Gewinne machen, ist auszuschließen, aber wir arbeiten kostendeckend“, sagt der neue Camerata-Geschäftsführer, Shane Woodborne.
Die möglichen Veranstaltungsräume in Gastein sind ja klein, 90 Leute voriges Jahr beim „Forellenquartett“ waren schon viel. „Die Intimität ist das Besondere“, erklärt die Chef-Touristikerin des Ortes, Doris Höhenwarter. 2000 Besucher hat man beim ersten Festival „Schubert in Gastein“ im Vorjahr begrüßen können. Das bedeutet beinahe ausverkauft.
Der „Gesang der Geister über den Wassern“ passt zum Wasserfall genau so gut wie zum Spa-Image des Kurortes. Fürs Eröffnungskonzert (11.9.), in dem die Mannen des Bachchores unter anderem dieses Chorstück aufführen, hat der Komponist Klemens Vereno die Klavierbegleitungen einiger Männerchor-Lieder für Streichorchester gesetzt. „Der Tod und das Mädchen“ erklingt in der Streichorchesterfassung von Gustav Mahler.
Allerlei Kammermusik gibt es. Florian Boesch gestaltet einen Liederabend. Lieder und Gasteiner Sagen sind an einem besonderen Ort, dem Kraftwerk am Fuß des Wasserfalls, zu hören. Für ein „Diner wie zu Schuberts Zeit“ seien schon 120 Karten verkauft, freut sich die Tourismusdame des Ortes. In einem Pressegespräch ließ Helmut Geil von der Nürnberger Versicherung keinen Zweifel daran, dass das finanzielle Engagement seines Unternehmens auf Nachhaltigkeit hinzielt, dass es also weitergehen werde mit dem Festival. Die „Nürnberger Gastein Ladies“ habe man in die Tenniswelt ja auch erst mühsam einführen müssen.
Schubert war immerhin leibhaftig in Gastein, hat hier unter anderem seine große C-Dur-Symphonie geschrieben. Ein Anknüpfungspunkt ist also da. Fast wird man ein bisserl neidisch, wenn man liest, wie der englische Musikologe über die drei Gastein-Monate des Komponisten beschrieben hat: „Schuberts Tempel war die Berglandschaft.“ Das war im Schubert-Jahr 1928, da durfte man noch so geschwollen schreiben.