Pudding und Blumen am Sonntag
HALLEIN / THEATERPROJEKT / DU BIST MEINE MUTTER
22/10/12 Sanft streichelt und tätschelt der Sohn die Hand der Mutter. „Nicht weinen“, sagt er. Sie sagt: „Man ist ein Blatt an einem Baum, das runterfällt und vergeht.“ Walter Anichhofer spielt beide in einer Person.
Von Ursula Trojan
Der Schauspieler im Anzug legt sich sachte auf das Bett. Beginnt mit ruhigen Bewegungen, sich auszuziehen. Noch ist er Joop, der Sohn, der jeden Sonntag seine Mutter im Pflegeheim besucht. Im Entkleiden wird er zur Mutter, die sich – mit seiner Hilfe – anzieht. Bluse, Rock und Jacke. Die Sonne scheint, folglich können sie in den Garten spazieren. Aber noch ist es nicht soweit, noch dauert es seine Zeit. Noch bewundert die Mutter jedes einzelne Kleidungsstück mit den Worten: „Ist das hübsch!“ Wann und wo es gekauft wurde, daran kann sie sich nur mehr mit Hilfe des Sohnes erinnern. Fertig gewandet, mit Hut und Handtasche, macht man sich schließlich auf den endlos scheinenden Weg ins Freie. Hier wird der Sohn seine Mutter behutsam hinsetzen und aus seiner Umhängtasche Pudding für sie zaubern…
Der holländische Theatermann Joop Admiraal hat 1981 die Besuche und Dialoge mit seiner an Alzheimer erkrankten Mutter in einzeitloses, berührendes Stück verpackt und selbst auf die Bühne gestellt. In der Halleiner Version – Premiere war am Samstag (20.10.) – haucht Walter Anichhofer beiden Figuren Leben ein. Ein Dasein, mühsam für beide Seiten. Wo liegt die Grenze, an der Geduld in Ungeduld kippt, weil sich die Konversation wieder einmal im Kreis dreht? Die Situation mutet wie ein Balanceakt an, in dem gleichzeitig noch mit bunten Bällen jongliert wird. Das liebevolle Bemühen um die Mutter überwiegt, der Sohn verliert nie die Beherrschung.
Man darf lachen – und doch bleibt so mancher Lacher in der Kehle stecken. Wie sich die Mutter plagt, um alleine wieder ins Bett zu kommen! Walter Anichhofer lässt in seinem gefühlvollen Spiel beim Zuschauer unzählige Gedanken verschiedener Art aufkommen. Einige Szenen dieses beeindruckenden Theaterabends werden lange haften bleiben: die des Puddingfütterns etwa oder des mühsamen Ankleidens. Marion Hackl übernahm das theatralische Coaching.
Jeden Sonntag bringt der Sohn auch einen Blumenstrauß mit. „An den Blumen kannst du sehen, dass du Besuch bekommst“, sagt er. Es bedarf nicht vieler Worte, nur der richtigen.