Roaring Swing and more
MATTSEER DIABELLI SOMMER / THE VINATGE JAZZ ORCHESTRA
02/08/24 Roaring Swing and more beim Mattseer Diabelli Sommer: The Vintage Jazz Orchestra im Einsatz für Duke Ellington & Friends mit dem Tubistem Andreas Hofmeir als ziemlich special guest. Zu leichter Lebensart wird, was hart erarbeitet sein will.
Von Erhard Petzel
The Vintage Jazz Orchestra ist eine Modifizierung des inzwischen traditionsreichen Ballaststoff-Orchesters. Hier wie dort kümmert sich Egon Achatz um Arrangements, Organisation und Leitung und auch die meisten Musiker nehmen in beiden Formationen ihre jazzige Aufgabe in der Bigband wahr. Bei beiden liegt der Schwerpunkt auf Musik der Zwanziger bis Vierzigerjahre (vorigen Jahrhunderts) mit Ausreißern.
Vintage ersetzt aber den deutschen Kulturraum durch den nordamerikanischen und verzichtet auf Vokales. Der Programmschwerpunkt beim Mattseer DiabelliSommer im Fahr(t)raum am Donnerstag (1.8.) galt Duke Ellington, dementsprechend der Beginnn gleich einmal C-Jam-Blues aus 1942 als Opener.
In gewohnt launiger Manier führt Achatz ins Thema und das Publikum in die Zwanzigerjahre ein, da sich der junge Duke mit eben der Ensembleaufstellung in Harlem etabliert. Nach dem Jubilee Stomp reizt man die Stoßkraft des Klangkörpers im Jungle Style aus. In The Mooche knallen zu den Drums dreckige Gleittöne im schweren Groove, das Blech wird geshaked und gedämpft und im Holz ballt sich Dissonanz zum Instrumentalgeschrei. Der Pömpel kommt vom Rohrentstopfer zu gänzlich entgegengesetzten musikalischen Ehren. Jeder Musiker (in diesem Fall kein Genderbedarf) findet Gelegenheit zum Solieren, nicht nur abwechselnd, sondern auch in wilder Addition.
Nach Harlem Speaks wird vor dem Auftritt des großen Stargasts auf Count Basies Jumpin’ At The Woodside zugegriffen. Mit dem Tubisten Andreas Martin Hofmeir purzeln dann die Konventionen. Achatz wird seines Postens als Conferencier enthoben, Hofmeir stellt sich zunächst freundlich und dankt für die Ehre, als Nicht-Jazzer hier mitmischen zu können, da er diesen Stil liebe.
Gleich sticht ihn aber der Hafer und er proklamiert aus Deutschland mit 2024 nicht nur das Jahr der Tuba, vielmehr wird er aus seinem neuesten Buch lesend die Instrumente der übrigen Musiker in grober Lyrik schmähen („hundsgemeine Instrumentenkunde“). Eine Version im insinuierten Starck-Deutsch bildet den verblödelten Höhepunkt seiner transbayrischen Clownerie. Schnickschnack mit ausgeschöpftem Potential intensiver interaktiver Publikumseinbindung. Concerto For Cootie passt noch haargenau, sonst wird er mit seiner Tuba das Programm aufmischen. Sein virtuoser Höhepunkt ist And When I Die in der Version von Blood, Sweat & Tears 1968. Am Schluss des matcht er sich großartig mit dem wurlenden Ensemble bei einem umwerfenden Tico Tico. Als Draufgabe setzte es Funk vom Feinsten des ungarischen Supertubisten Roland Szentpáli (wofür er allein den Gitarristen Christian Neuschmid vom Schmähgedicht verschont, weil solierender Funk-Träger).
Die Kombination von höchstem technischen Niveau am Instrument und albernde Komik kommt nicht nur beim Publikum gut an, sie passt stimmt auch zur Musik. Unsterblich solche Evergreens wie Glenn Millers In The Mood. Honeysuckle Rose wurde vom Tenor-Saxophonisten Christian Kronreif arrangiert. Ellingtons Black And Tan Fantasy passt als Hymne auf die gemischten Clubs der 20iger genau zu den Wahrnehmungs-Befindlichkeiten der Sensibilitätskultur einer heutigen Generation. Caravan oder Sing Sing Sing kann man immer wieder hören. Vor allem, wenn die Post so abgeht wie in diesem Ensemble, das jederzeit alle seine Mitglieder an die improvisierende Front schicken kann. Zusammengefasst wird hier zur leichten Lebensart, was hart erarbeitet sein will.
Der Rahmen des Museums mit seinen Oldtimern auf Boden der ausgedehnten Räumlichkeiten und einem frühen Flugzeug und einem Doppeldecker an der Decke könnte nicht passender arrangiert sein. Was für das Auge ideal, hat für das Ohr seine Tücken. Der hohe Raum mit seiner voluminösen Kubatur schafft eine schwierige Akustik. Wenn sich der forsche Klang ungestüm enthemmt, versulzt sich leicht die knallige Front. Basstuba und Trompete haben’s da etwas bequemer sich zu behaupten als andere. In einem Punkt könnte man eine Anregung Hofmeirs durchaus umzusetzen trachten: Warum als Publikum zu diesen Impulsen nicht tanzen?