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Ein gerupfter Superheld

NEU IM KINO / BIRDMAN

30/02/15 Mit Alejandro González Iñárritu ist nun auch ein vielfach preisgekrönter Arthouse-Filmer auf den durch die 3D-Mulitplexe jagenden Superhelden-Zug aufgesprungen. Wer sich bei „Birdman“ jedoch knalliges Popkorn-Action-Kino mit dezentem intellektuellem Aufputz erwartet, kennt den mexikanischen Regisseur schlecht - auch wenn er sich diesmal weit von seinen bisherigen Werken entfernt hat.

Von Christoph Pichler

Im Zentrum seines erst fünften Films in 14 Jahren steht nämlich kein gefiederter Weltenretter, sondern ein gerupfter Schauspieler, dem seine Vergangenheit als gefeierter Superhelden-Darsteller noch immer schwer auf den längst capebefreiten Schultern lastet. So will sich Riggan Thomas (Michael Keaton) nach Jahrzehnten im Schatten seines übermächtigen Alter Egos nun am Broadway neu erfinden und mit der Inszenierung von Raymond Carvers „What We Talk About When We Talk About Love“ als ernst zu nehmender Intellektueller und Künstler präsentieren.

Die letzten Tage vor der Premiere lassen den einstigen „Birdman“ allerdings von einer kleinen Katastrophe in die nächste schlittern. Erst wird ein Hauptdarsteller durch einen herabstürzenden Scheinwerfer aus dem Stück geschossen. Dann erweist sich Ersatzmann Mike (Edward Norton) in seiner Perfektionierungssucht mehr als perfide denn perfekt.

Dazu nagt Riggan, Thomas' drogenaffine Tochter (Emma Stone), ebenso an seinem angekratzten Selbstbewusstsein wie die Kritikerin, die ihm schon vor der Premiere einen tödlichen Verriss verspricht. Und da ist ja auch noch „Birdman“, der sich tief in der Psyche des Altstars eingenistet hat und ihn in ein selbstmörderisch knalliges Finale treibt.

Dass sich Ex-Batman Michael Keaton direkt aus der Schmuddelecke der vergessenen Helden zurück in die erste Reihe der Oscar-Kandidaten katapultiert hat, ist nur einer der vielen doppelbödigen Geniestreiche, die Alejandro González Iñárritu's satirische Tragikomödie so einmalig machen.

Neben dickhäutiger Selbstironie beweisen Keaton und seine Co-Star-Riege auch enormes Gespür für Technik und Timing, werden sie doch auf ihrer Tour de Force durch den Backstage-Bereich des Kunstbusiness von einer schier endlosen Kamerafahrt begleitet. Ein immer wieder losrollendes Schlagzeugsolo von Antonio Sanchez rhythmisiert die Serie von Seitenhieben gegen die Kulturindustrie zusätzlich und treibt die eitlen Tröpfe unaufhaltsam vorwärts – egal, ob sie schon vor einer Wand oder am Abgrund stehen.

Mit „Birdman – Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit“ (so der komplette Titel) hat Alejandro González Iñárritu ganz bewusst seine bisherige Komfortzone verlassen.

Statt auf Handwerkskunst im Schneideraum, mit der er bei seiner Todestrilogie („Amores perros“, „21 Gramm“, „Babel“) die Erzählfäden nachträglich zu einer einheitlichen Geschichte versponnen hat, setzt der Mexikaner auf die Sogwirkung einer einzigen ewigen Einstellung, deren (unweigerlich vorhandenen) Schnittstellen man gerne bei der dritten oder vierten Sichtung des Films nachspüren kann.

Die strenge, düstere Stimmung seines letzten Films „Biutiful“ ist einer heiter verspielten gewichen, die ihre zwischen Manie und Depression pendelnden Protagonisten zwar stets ernst nimmt, ihnen aber auch immer wieder verschmitzt zuzwinkert. Das Risiko hat sich auf jeden Fall gelohnt, ist ihm doch mit „Birdman“ einer der außergewöhnlichsten Filme der letzten Jahre gelungen, der sowohl das Publikum als auch Kollegen und Kritiker begeistert. Ein längst eingespieltes Budget und neun Oscar-Nominierungen sprechen da eine deutliche Sprache.

Bilder: www.fox.de

 

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