Wer war Amalie Redlich?
HINTERGRUND / ZEITGESCHICHTE
24/10/24 Der Turm mit dem charakteristischen Spitzdach neben dem Museum der Moderne auf dem Mönchsberg prägt sie Stadtsilhouette nachhaltig. Aber jede Wette: Wenn man hinaufzeigte und Einheimische nach dem Namen des Bauwerks fragte – wem fällt spontan der Name Amalie-Redlich-Turm ein?
Von Reinhard Kriechbaum
„Nur noch wenige Menschen kennen die bewegte Geschichte hinter dem Turm und noch weniger wissen, dass dort heute Kunst vermittelt wird“, sagt man dazu im Museum der Moderne. Die Museumspädagogik für diese Institution ist schon seit zehn Jahren hier beheimatet. Dieses kleine Jubiläum nutzt man für einer Filmschau zum Thema Zeitzeug:innen & Erinnerung. Adressaten sind Schülerinnen und Schüler der Oberstufe aus Stadt und Land.
Wie also kam der Turm zum Namen? Die Familie Zuckerkandl war eine der bekanntesten jüdischen Familien Wiens. Amalie Redlich, geborne Zuckerkandl (1848-1941) hatte vier Geschwister, die alle eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben der Zeit spielten. Victor Zuckerkandl war Industrieller, Kunstsammler und Erbauer des Sanatoriums Purkersdorf. Emil Zuckerkandl war Anatom und Hochschulprofessor und mit der Schriftstellerin und Saloniere Berta Zuckerkandl verheiratet. Auch das ein klingender Name. Otto Zuckerkandl war Urologe, Chirurg und Hochschulprofessor. Seine erste Frau Amalie wurde von Gustav Klimt porträtiert. Das Bild der Amalie Zuckerkandl hängt im Belvedere. Robert Zuckerkandl war Jurist und Hochschullehrer in Prag.
Während des Nationalsozialismus konnten manche Familienmitglieder fliehen, viele wurden ermordet. Amalie Redlich und ihre Tochter wurden 1941 nach Litzmannstadt (heute Lodz) deportiert und kamen dort um.
Aus dem Nachlass ihres Bruders Robert hatte Amalie Redlich mehrere Gemälde erworben: Von Gustav Klimt Litzlberg am Attersee, Kirche in Cassone und von Ferdinand Georg Waldmüller Der Schulgang. Das Ölgemälde Litzlberg am Attersee landete schließlich in den Beständen des Museums der Moderne und wurde zum weitaus spektakulärsten Restitutionsfall im Bundesland Salzburg. 2011 wurde es an den Enkel von Amalie Redlich zurückgegeben. Georg Jorisch, 1928 in Wien geboren, 2012 Quebec gestorben, hatte schon vor der Versteigerung des Gemäldes angekündigt, dass ein Teil des Erlöses im Gedenken an Amalie Redlich einem Erweiterungsprojekt des Museum der Moderne Salzburg gewidmet werde. Das Bild erzielte bei der Auktion in New York schließlich rund vierzig Millionen Dollar. Als Anerkennung für die rasche und unbürokratische Rückgabe des Werkes vonseiten des Landes Salzburg und die persönlichen Bemühungen des damaligen Direktors des Museum der Moderne Salzburg, Toni Stooss, stellte Georg Jorisch großzügige finanzielle Mittel – dem Vernehmen nach über 1,5 Millionen Euro – für den Umbau des ehemaligen Wasserturms in ein Zentrum für Kunstvermittlung mit einer Artist-in-Residence-Studiowohnung bereit. Zu Ehren seiner Großmutter wurde der Wasserturm in Amalie-Redlich-Turm umbenannt.
Zwei Filme informieren nun über die Familie Zuckerkandl, Flucht und Kunstrestitution. Das Museum der Moderne Salzburg lädt Schulklassen zu kostenfreien Projektionen. Beim ersten Termin am 11. Oktober wurde Schülern aus ganz Salzburg der Film Emile – Erinnerung eines Vertriebenen (2023) gezeigt, in Anwesenheit des aus Wien angereisten Regisseurs Rainer Frimmel, der den Jugendlichen für Fragen zur Verfügung stand.
Der nächste Termin ist am 15. November. Da wird Édith Jorisch' 2017 in Kanada gedrehter Film L’Heritier/The Heir gezeigt, in französischer Originalfassung mit englischen Untertiteln. Die junge Regisseurin erzählt die Geschichte ihres Großvaters, der nach jahrelanger Recherche das Kunstwerk Litzlberg am Attersee von Gustav Klimt zurückbekam. Édith Jorisch besuchte Orte aus seiner Vergangenheit und versuchte in Gesprächen mit ihrem Großvater und ihren Verwandten Bruchstücke aus Erinnerungen zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Dafür hat sie 2017 den PRIX Gémeaux für die beste Regie und den besten Dokumentarfilm bekommen.