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Reden über das Unsägliche

SCHAUSPIELHAUS / UNION PLACE

09/06/23 Die einen sind sich bisher noch nie begegnet, ein irregeleitetes Anbandelungs-SMS hat sie zusammengebracht. Dass sich die anderen beiden zuletzt gesehen haben, ist Jahrzehnte her. Und das dritte Paar? Es wäre wohl besser gewesen, die Wege der beiden hätten sich gar nie gekreuzt.

Von Reinhard Kriechbaum

Union place, Platz der Nationen oder Piata unirii? Deutsch reden Sophie und Darius (Christiane Warnecke, Philippe Thelen) miteinander, die sich auf einem Flughafen zufällig über den Qeg gelaufen sind. Aus dem One-night-stand ist eine längere Affäre geworden, obwohl diese beiden Leute im Denken und Fühlen denkbar weit auseinander liegen.

Bei Mariana und Rudolf (Cristina König, Wolfgang Kandler) schaut's sprachlich schon ganz anders aus. Er ist vor 37 Jahren aus Rumänien nach Deutschland geflohen, sie hat im letzten Moment die Reißleine gezogen und ist daheim geblieben. Jetzt sitzen sie einander verlegen gegenüber. Sie redet Rumänisch und er Deutsch. Weil die beiden in einer gemischtsprachigen Region aufgewachsen sind, klappt die Verständigung. Das Semantische jedenfalls.

Paar drei: Daniela (Sophia Fischbacher) ist Rumänin, als Sängerin hat sie in Luxemburg eine bescheidene Karriere gemacht. Verheiratet ist sie mit Walter (Jens Ole Schmieder). Ihre gemeinsame Sprache ist Englisch, aber das tut wenig zur Sache, weil bei ihnen fliegt sowieso jedes Wort meilenweit am anderen vorbei. Dass Alex (Andrei Chifu), der Sohn der Frau aus einer früheren Beziehung in Rumänien, auf Besuch kommt, macht die Sache nicht leichter.

Das Schauspielhaus Salzburg hat dieses Stück, koproduziert mit dem Escher Theater (Luxemburg) und dem Nationaltheater Timisoara (Temeschwar/Rumänien), bei der 1981 im siebenbürgischen Brasov/Kronstadt geborenen Elise Wilk in Auftrag gegeben. Für eine polyglotte rumänische Gegenwartsautorin (nicht nur dieser Generation) ist Migration Thema Nummer eins. Elise Wilk ist eine wache Beobachterin, nicht zufällig spricht sie im Programmheft-Interview die Verwandtschaft von Schriftstellerei und Journalismus an. Nach Geschichten ähnlich jenen in dieser knapp zweistündigen „kurze Trilogie“ muss man nirgendwo im heutigen Europa nicht lange suchen. Sie sind gelebte Realität in einer zunehmend ent-grenzten Welt.

Weil's Theater ist, sind die Biographien dieser fiktiven Menschen zugespitzt. In vielen kleinen Szenen wird aufgeschlüsselt, welche Dramen sich da früher ereignet haben oder eben jetzt geschehen. Das siebenköpfige Ensemble (Mitglieder der drei beteiligten Theater) ist oft gemeinsam auf der Bühne. Man beobachtet, belauert gar einander, obwohl die Geschichten inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. Die Namen derer, auf denen in der jeweiligen Szene das Hauptaugenmerk liegt, werden mit Kreide an die graue Wand geschrieben und punktuell angeleuchtet. Isabel Graf hat ein denkbar einfaches Bühnenbild geschaffen, drei überlange schmale Tische, die nicht lange in ordentlicher Reihe stehen.

Regie führte Alexandru Weinberger-Bara, im rumänischen Oradea (Großwardein) geboren und am Max-Reinhardt-Seminar ausgebildet. Auch er also ein Grenzgänger, was dieser Produktion zusätzlich Authentizität schenkt. Nach und nach also werden Menschenschicksale destilliert – was genau, darf man nicht verraten, vom Geheimnis lebt die Dramaturgie dieses Theatertexts. Nur so viel: Allen drei Geschichten, allen beteiligten Figuren eignet etwas Unauflösbares. „Vielleicht sollten einige Sachen bleiben, wie sie sind“, heißt es einmal. Aber Totschweigen wäre eben auch keine Lösung.

Union Palace ist ein Pilotprojekt, Auftakt für zukünftige transeuropäische Theater-Erkundungen. Schließlich wurde das Schauspielhaus Salzburg im Vorjahr in das internationale Netzwerk European Theatre Convention (ETC) eingeknüpft. Das können also höchst spannende, das Multinationale in unseren Gesellschaften abbildende, also sehr heutige Grenzüberschreitungen im wahrsten Sinn des Wortes werden.

Aufführungen bis 23. Juni im Studio – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese

 

 

 

 

 

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