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Leben, lieben, Kunst schaffen

LANDESTHEATER / EISARENA / XANADU

02/06/24 Ein turnschuh-geerdeter Straßenmaler mit hohen künstlerischen Zielen und eine bayerisch redende Muse, hurtig dahinflitzend auf fluoreszierenden Rollschuhen: Da kann ja nur ein Liebespaar draus werden, trotz unterschiedlicher Bodenhaftung. – Mit dem Musical Xanadu bespielt das Landestheater zu Saisonschluss die Eisarena.

Von Reinhard Kriechbaum

Da kommt sie also angerollt, die zierliche Clio (Patrizia Unger), kaum dass Sonny Malone (Thomas Wegscheider) ihr Bildnis ein wenig verwahrtackelt an die Wand gesprayt hat. Pygmalion lässt grüßen, wie überhaupt das Musical Xanadu von Jeff Lynne und John Farrar im antiken Parnass ansetzt, aber Clio und ihre Musen-Schwestern in der Sonne Kaliforniens in den 1980er Jahren stranden lässt.

Verhaltenscodex für klassische Musen: inspirieren, aber nicht selbst künstlerisch tätig werden; unerkannt bleiben; verlieben in einen Sterblichen sowieso nicht. Die ältesten beiden der in einem neuntägigen Macho-Marathon von Zeus gezeugten Kunstbeflüglerinnen erweisen sich als eifersüchtige Intrigantinnen und sorgen mit ihren Zauberkräften dafür, dass Clio alle Regeln bricht. Am Ende wird Zeus aber mit sich reden lassen. Clio kriegt ihren Sonny und verzichtet leichtherzig auf die olympische Kumpanei. Alles gut, sogar mit dem Immobilienmakler Danny Maguire (Axel Meinhardt), der einst auch auch hat Erfahrungen mit Clio sammeln dürfen.

Xanadu war zuerst Filmmusical (1980) und ein Vierteljahrhundert später Broadway-Bühnenerfolg (2007). Viel gerühmt vor allem die Beiträge der britischen Rockband Electric Light Orchestra, vom eröffnenden I'm alive bis zum titelgebenden Finale. Der schmeichel-rockige Soundtrack ist's ja, was Xanadu zum sicheren Publikumsliebling macht(e), egal ob im Kino, auf dem Broadway oder jetzt in der enteisten Red-Bull-Arena. Dass gegen diese gelegentlich unverbindlich wabernde Musik sogar jene von Lloyd-Webber vergleichsweise viele Ecken und Kanten hat, was soll's?

Wolfgang Götz hat den Dirigierstab gegen eine Taschenlampe eingetauscht und hält so besten Kontakt zwischen Sound-Konserve und den singenden, tanzenden und rollenden Heerscharen der Xanadu Dance Crew und des Salzburger Festspiele und Theater Kinderchores. Taschenlampe deshalb, weil der Licht- und Video-Zauberer Tobias Witzgall eine an Dekoration arme, aber an Beleuchtungseffekten reiche Rollschuhdisco-Atmosphäre geschaffen hat. Die Darstellerinnen und Darsteller haben gut Rollschuhlaufen gelernt und dabei das Singen nicht verlernt. Auch diesbezüglich überzeugt an dem kurzweiligen Abend das Musikalische.

Alle haben den Stil drauf und die Technik hat die Klangbalance im Griff. Patrizia Unger als Clio, inkognito Kira, ist ja eine erfahrene Musical-Sängerin. Sie hat das Tänzerische auch auf acht Rollen bestens drauf. Auch den bayerischem Zungenschlag: „Llluja, sog i!“ Musenpflichtbewusst will sie sich schließlich doch davonmachen Richtung Olymp, aber da schnappt sich Sonny einen ihrer Rollschuhe. Da ist man auch als Kreativgöttin im Sprung gehemmt...

Larissa Enzi und Minori Therrien sind die „bösen“ Musen Melpomene und Kalliope, aber im Grunde ist mit denen eh auch ganz gut Kirschen essen. Kostümbildner Simon Barth hat sich für die Musengesellschaft, zu der sich dann noch Zeus mitsamt Wolken- und Götter-Entourage gesellen, viele nette Details ausgedacht. Hermes rückt mit Rucksack an, ist ja eine ansehnliche Strecke vom Olymp bis Kalifornien. Auch dem Regie führenden Carl Philip von Maldeghem hat es nicht an Ideen gemangelt, die wenig originelle, durch und durch vorhersehbare Story aufzupeppen.

Freilich fragt man sich, ob die Eisarena wirklich der richtige Ort ist. Es ist alles so furchtbar weit weg! Ein Binokel einzustecken ist eine gute Idee. Selbst wenn alle unterwegs sind, all die rollen- und fuß-tanzenden Gruppen des bestens genutzten Mehrspartenbetriebs mitsamt juveniler sportlicher Statisterie, kann man nicht gerade von Überfüllung auf der Spielfläche sprechen. So ein Eishockeyfeld ist nämlich echt groß. Sechzig mal dreißig Meter, steht im Programmheft. Wenn sich alle verteilen, sind's zerstäubte Menschen-Pünktchen. Das war den Rollschuh-Spezialisten (Lara Roth, Daniel Therrien) ebenso bewusst wie den für den Tanz Zuständigen (Kate Watson, Josef Vesely). Drum halten sie die Gruppen auch eher nahe beisammen. Immerhin: der Viererstern und das Kettenreißen beim Finalsong machen schon was her. Aber vielleicht wäre man mit engeren Rollschuh-Kreisen sogar auf der kleinen Landesheater-Bühne ganz gut zurecht gekommen.

Fazit: Viele eingängige Musiknummern, ein bestens getimtes und homogenes Ensemble, zündende Choreographien – und natürlich der einnehmende Nostalgie Flair der 1980er. Damals hat es noch Telefonzellen und -bücher gegeben. Und wahrscheinlich glaubten noch viele daran, dass „jemanden lieben und Kunst schaffen“ das allerbeste Ziel im Leben sind. Keine schlechte Idee, dieses Gefühl wieder aufleben zu lassen.

Aufführungen bis 15. Juni in der Eisarena im Volksgarten – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Christian Krautzberger

 

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