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Für Faust-Ersteinsteiger

REST DER WELT / WIEN / URFAUST

02/11/12 Am Ende schießt Faust sich ein Loch in die Brust, und Mephisto geht mit ihm in die Knie, auch er blutüberströmt: letzte Bestätigung dafür, dass Mephisto und Fausts eins sind. – Goethes „Urfaust“ in einer Inszenierung von Enrico Lübbe im Wiener Volkstheater.

Von Reinhard Kriechbaum

Der eine ist also Alter ego das anderen. Das war schon klar, als nach der Liebes-Szene mit Gretchen, nach einem großen Blackout, die junge Dame in den Armen des nackten Mephisto gelegen ist. Nett der amouröse Einstieg in diese Szene: „Wie hältst Du’s mit der Religion?“ – die Frage kommt wie nebenbei, während Faust und Gretchen sich schon eilends entkleiden.

Wie nebenbei: In diesem bildwirksamen, popigen und am Ende unglaublich bluttriefenden Verschnitt des „Urfaust“ kommt vieles, eigentlich alles wie nebenbei. Nach Ende der auf eine gute Stunde gekürzten Version – „Strichfassung“ ist da schon fast eine Untertreibung – ist eigentlich nicht klar, ob man wirklich den „Urfaust“ gesehen hat. Die reichlich willkürlich ausgelesenen geflügelten Wörter und Sätze (und fast nur solche sind durcheinander gemixt und aneinandergefügt)  könnten genau so gut aus dem Faust I stammen. Auf den „Urfaust“ mag das juvenil Gärende verweisen, das in Enrico Lübbes großzügigem Verschnitt ausgiebig zelebriert wird.

Am Anfang: ein mehr als täppischer Faust (Denis Petkovi?) im altmodischen Pullover, der einer kleinen Armee splitterfasernackter Blondinen das Nachhausegeleiten anträgt – von einer jeden handelt er sich eine Ohrfeige ein. Auch wenn die schönen Fräuleins bekleidet sind, ist sein Erfolg nicht größer, eine sagt sogar: „Geh dich brausen!“

Mephisto (Günter Franzmeier), ein pseudo-mondäner Strizzi, hat da ein ganz anderes Auftreten. Auf eine wie Marthe (Heike Kretschmer), die auch reichlich notgeil ist, reagiert er eher angewidert. Und dann eben Gretchen: Nanette Waidmann ist in der Rolle weniger dumme Gans als hässliches Entlein. Sie und der ebenso unattraktive Heinrich Faust zusammen – fast ein Traumpaar.

Recht rasch ist man bei der Sache, und dann liegt Gretchen auch schon blutüberströmt da, Valentin wird nach seinen paar Sätzen von Mephisto erschossen und dann also Fausts/Mephistos Selbstmord: Mit Bühnenblut geht man verschwenderisch um.

Was es bringt? Keine neuen Perspektiven auf den (Ur)Faust jedenfalls. Aber immer wieder blitzt doch, so willkürlich die Szenen auch arrangiert sein mögen, Ironie auf.  Jedenfalls ist die schauspielerisch brillante Aufführung eine optisch packende Anleitung für Faust-Ersteinsteiger. Vielleicht sollte man sie von einer Stunde noch ein wenig zusammenstreichen. 50 Minuten, dann passte sie in eine echte Schulstunde.

Weitere Aufführungen bis 25. Jänner im Wiener Volkstheater – www.volkstheater.at
Bilder: Volkstheater / Christoph Sebastian

 

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