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„Einen Jux will sie sich machen“

REST DER WELT / LEHÁR FESTIVAL / DIE JUXHEIRAT

16/08/16 Die letzte von Michael Lakner betreute Premiere des Lehár Festivals Bad Ischl am 13. August galt der Operette „Die Juxheirat“ von Franz Lehár und wurde zum Triumph für alle Beteiligten. Und zum Plädoyer für ein höchst eigenwilliges Stück, welches unter die Räder der Zeit gekommen ist: die erste Aufführung seit 1906.

Von Gottfried Franz Kasparek

Zwischen dem ersten Bühnenerfolg – „Der Rastelbinder“, 1901 – und dem Welterfolg der „Lustigen Witwe“ 1905 war Lehár auf der Suche und es gelang ihm nicht viel, heißt es oft. Nun, es gelang ihm auf einen intelligenten Text des Kritikers Julius Bauer „Die Juxheirat“. Die vertrackte Handlung ist schwer nachzuerzählen, erzählt sich aber auf der Bühne in bester Komödientradition von selbst. Wenn ein fesches Damenkränzchen rund um die verwitwete amerikanische Milliardärstochter Selma einen Verein „Los vom Manne!“ gründet und am Ende alle unter die Haube kommen, wenn ein singender Chauffeur, der eigentlich ein verkrachter Graf ist, mit Wagner-Schlagern „lohengrinisiert“ und dann in ein freches Couplet fällt, wenn ein mit Autos reich und fett gewordener Industriemagnat auf seine alten Tage eine junge Frau will, ist nicht nur „Dallas“ nahe, sondern vor allem der Zeitgeist um 1900. Die Suffragetten-Bewegung wird ebenso ironisch aufs Korn genommen wie die Faszination Auto und die dümmlichen, geldschweren Onkel aus Amerika. Der Librettist kannte seinen Nestroy und lässt Selma folgerichtig singen: „Einen Jux will sie sich machen.“ Das Libretto sprüht vor Wortwitz, was doch eher selten ist in dieser Kunstform.

Natürlich wird aus der „Juxheirat“ Selmas mit dem schönen Harold von Reckenburg, der fälschlicherweise für eine verkleidete Frau gehalten wird, in Finale ein Happy End. Aber nicht nur die „Witwe“ wetterleuchtet in Lehárs einfallspraller, farbig instrumentierter Partitur, sondern auch der Geist der Offenbachiade, etwas, das ihm später fremd wurde. Das immer ein wenig melancholische, dunkel getönte Melos träumender Walzerklänge, sehnsuchtsvoller Tenorarien und knisternder Erotik ist unüberhörbar, doch dazwischen funkeln wahre Perlen musikalischer Parodie im Tonfall des Couplets. Das große Opernfinale des ersten Aktes ist ebenso typisch für die damals in den Geburtswehen liegende „silberne“ Operette, wie der dritte Akt noch nicht späterer Schemenhaftigkeit entspricht. Dass dieses Meisterstück anno 1904 trotz Alexander Girardi als Chauffeur Philly Kaps nach nur 39 Vorstellungen verschwunden ist, verwundert. Vielleicht war das Stück für damalige Erwartungen viel zu wenig mit Sentiment aufgeladen, zu „sophisticated“ getextet, einfach zu gescheit?

Es braucht gleich zwei lyrische Tenöre und fünf zwischen Diva und Soubrette changierende Soprane. Beide Stimmfächer fanden in Ischl beste Besetzungen. Jevgenij Taruntsov beweist als Harold Mut zur androgynen Erscheinung, bleibt als Sänger aber stets zweifellos ein charmanter Kerl. Alexander Kaimbacher erobert sich den lethargisch-sentimentalen Milliardärssohn Andrew mit liebenswertem Ausdruck und gewinnt seiner hellen Stimme einigen feinen Schmelz ab. Die Liedsängerin Maya Boog (Selma) bleibt auch in ihren Ausflügen in die schwere leichte Muse gleichsam schwebender, nur ganz selten forcierter Stimmführung treu. Sieglinde Feldhofer bezaubert als schlanke und ranke Miss Phoebe mit klarem Sopran und echtem Sex-Appeal nicht nur ihren Chauffeur. Christoph Filler spielt mit Verve und Humor diese Nestroy-Figur, begeistert mit richtig dosierter Komik und stilsicher ausgewogenem Gesang. Solche Leute braucht die Operette zum Überleben! Dies gilt auch für Ilia Vierlinger (Miss Edith), eine entzückende Soubrette. Rita Peterl hat als standfeste Miss Euphrasia mit wohlklingendem Mezzo und trockenem Humor etliche Lacher auf ihrer Seite. Anna-Sophie Kostal als Harolds Schwester erobert den Milliardärssohn mit damenhafter Erscheinung. Gerhard Ernst ist als Geldsack Brockwiller jeder Zoll ein Typus zwischen Lugner und Trump. Tomaz Kovacic (Sheriff), Matthias Schuppli (Haushofmeister) und Wolfgang Gerold (Oberst) liefern saftige Figuren. Lob gebührt auch dem von Gerals Krammer einstudierten, tanzenden und viele Details zeichnenden Chor.

Leonard Prinsloo hat wieder einmal das Kunststück zuwege gebracht, im stimmungslosen Ischler Kongresssaal packendes Theater zu machen – und dies in einer halbszenischen Aufführung mit dem Orchester auf der Bühne. Prinsloos grandiose Personenregie, sein choreographisches Temperament, Einfühlungsvermögen in die Doppelbödigkeit von Text und Musik sowie dezent eingesetzte Videotechnik wirken wahre Wunder und man geht mit dem Eindruck, eine vollgültige Theateraufführung erlebt zu haben. Die musikalische Seele des Abends ist Marius Burkert, der mit seinem famosen, klangschönen Orchester die verschollene Partitur aus alten Orchesterstimmen und handschriftlichen Notizblättern Lehárs praktisch rekonstruieren musste. Burkert hat das richtige Gespür für die notwendige Mischung aus ernsthaftem Musizieren und mitreißendem Schmäh.

„Die Juxheirat“ erscheint im kommenden Jahr bei cpo, wo schon eine Reihe seltener Operettenschätze in Ischler Produktionen und feine Liederabende mit Maya Boog und Michael Lakner am Klavier vorliegen. Michael Lakner bereitet noch die Saison 2017 vor, ehe er sich nach Baden verabschiedet. Sein Nachfolger wird der Regisseur Thomas Enzinger.
Bilder: Lehàr Festival / Foto Hofer

 

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