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Engel von links

MATTSEER DIABELLISOMMER / LIEDERABEND BOOG / LAKNER

16/06/14 Die Lilie in der Hand, stehend oder kniend, der Engel. Die künftige Gottesmutter sinnend unter einem Baldachin oder lesend an einem Fenster: So konkret haben die Maler aller Jahrhunderte das Thema „Mariae Verkündigung“ behandelt. Ganz anders Rainer Maria Rilke in seinem Gedichtzyklus „Marienleben“. Seinen ätherischen Licht-Impressionen hat die Vertonung von Paul Hindemith zusätzliche Transzendenz verliehen.

Von Heidemarie Klabacher

Licht kann man malen, wie Edgar Degas auf einem Seerosenteich im Sommer. Man kann dem Licht aber auch auf 113 Quadratmetern einen Weg bahnen wie Paul Richter im Südquerhausfenster des Kölner Doms. Licht kann man komponieren, zumindest ein Gerard Grisey, ein Georg Friedrich Haas oder auch ein Helmut Lachenmann können Licht Klang werden lassen. Dass man Licht auch dichten kann, wird einem bewusst, wenn man Gelegenheit und Veranlassung bekommt, wieder einmal Rainer Maria Rilkes Gedichtzyklus „Marienleben“ auf sich wirken zu lassen.

Der Mattseer DiabelliSommer hat diese Gelegenheit geboten. Am Freitag (13.6.) stand in der Stiftskirche die Vertonung des Rilke'schen „Marienlebens“ von Paul Hindemith auf dem Programm: Gesungen hat die Schweizer Sopranistin Maya Boog, ihr Partner am Klavier war Michael Lakner. Der Intendant des Lehár Festivals Bad Ischl ist ein ebenso versierter wie gefragter Liedbegleiter.

Die Engel-Metaphern sollen jetzt nicht über Gebühr strapaziert werden. Aber wenn man sich vorzustellen versucht, wie ein Engel klingt, dann käme man wohl auf die Stimme von Maya Bog: klar und geradlinig, tragfähig und kräftig, ohne eine Spur von Vibrato, dennoch nicht knabenhaft oder gar steril, sondern geschmeidig, vielfarbig und reich timbriert.

Eine „englische“ Botschaft muss natürlich auch inhaltlich klar und deutlich vermittelt werden. Und da es hat Maria Boog mit Rilke deutlich heikler getroffen, als weiland der Engel Gabriel mit der erstaunlichen, aber – als reiner Text betrachtet – recht einfachen Botschaft an Maria. Mit der Eloquenz und Leichtigkeit einer Schauspielerin hat Maria Boog die bilderreichen und komplex verschachtelten Verse dechiffriert und verständlich gemacht.

Merksprüche - einschlagend, eingängig, und doch meilenweit entfernt von irgendwelcher Mariologischer Dogmatik - hat Maya Boog ihem Publikum ins Stammbuch geschrieben: „Mit solchem Aufwand wardst du mir verheißen“ singt Maria im Lied „Vor der Passion“. Oder nachher heißt es im Lied „Pietá“: „Jetzt liegst du quer durch meinen Schooß, jetzt kann ich dich nicht mehr gebären.“

Dass Engel recht präpotente Wesen sein können, weiß man seit Thomas Mann (äußerst unwillig hat der dortige Engel den von seinen Brüdern verkauften jungen Joseph nach Ägypten geleitet). Maria, bekanntlich leibhaftig in den Himmel aufgenommen, gesellte sich - dort angekommen - unauffällig und bescheiden zu den neuen Seligen: „Da brach aus ihrem Sein ein Hinterhalt von solchem Glanz, dass der von ihr erhellte Engel geblendet aufschrie: Wer ist die?“ Da sorgt schon der Dichter selbst für die nötige Ironie, wie etwa auch in der Begegnung des Auferstandenen Jesus mit seiner Mutter, „da er, ein wenig blaß noch vom Grab erleichtert zu ihr trat...“

Auch die emphatischen Stellen gestaltet Maria Boog mit großer Expressivität – ohne je in die Nähe distanzlosen Überschwangs zu kommen. Michael Lakner ist dazu der rechte Klavierpartner: Er agiert mit geradliniger Kraft. Dass der Klavierpart transparent und durch hörbar geblieben ist, war im Sakralraum äußerst überraschend.

Ein Konzertabend wie man ihn sich nur wünschen kann: Ein rares und spannendes Werk in stimmungsvollem – und der Musik akustisch gerecht werdenden – Ambiente souverän aufgeführt von Künstlern, die wissen, was sie spielen und singen.

CD-Tipp: Maria Boog und Michael Lakner haben Hindemiths „Marienleben“ auch eingespielt (CPO 777 817-2): www.jpc.de
Bilder: mayaboog.ch/Peter Schnetz

 

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