Wer glauben will, muss fühlen
ERLEBNISMUSEUM / BIBELWELT
10/04/15 Vielleicht rümpfen ja nicht wenige Priester und Katecheten der Post-Achtundsechziger-Generation die Nase, wenn sie in der neuen Bibelwelt stehen: Haben sie nicht Jahrzehnte ihrer religiösen Vermittlungsarbeit investiert, das Böse möglichst rauszufiltern aus der Verkündigung?
Von Reinhard Kriechbaum
Da steht man nun plötzlich auf engstem Raum Judas gegenüber, einer personifizierten Schreckfigur mit grellrot geschminktem wulstigen Kussmund. Es sind nicht nur die harmloseren Katechismusbildchen dreidimensional geworden in der „Bibelwelt“, die heute Freitag (10.4.) in der Elisabethkirche eröffnet wird.
Ein Erlebnismuseum ist angesagt, so ungefähr nach dem Rezept: Wer glauben will, muss fühlen. Hören auch, drum klebt neuerdings ein riesiges gelbes Ohr an einer Ecke der Elisabethkirche, die zu über zwei Dritteln ihres Raumvolumens zum Museum ungewandelt worden ist. Entscheidend wird auch der Audioguide sein, der Besucher jeden Alters dann durch die durch die Erlebnisstationen lotst. Reante Rustler-Ourth hat als Hörspiel-Regisseurin mit 31 Schauspielern unterschiedliche Führungs-Varianten aufgenommen, für Kinder bis acht 8 Jahren, für Neun- bis Zwölfjährige und für Menschen ab dreizehn.
Ohne diesen Audioguide ist das Museum inhaltlich (und vor allem auch ideologisch) absolut nicht zu beurteilen. So weit, dass man ihn hätte testen können, war es am Nachmittag vor Eröffnung, als DrehPunktKultur die Bibel-Großbaustelle im Endspurt besichtigte, noch nicht. Da war noch eine kleine Armee von Handwerkern und Ehrenamtlichen am Werk, es wurde rundum gehämmert, gebohrt, gesägt und geklebt. „240 Künstlerinnen und Künstler“ sind ja angesagt, wenn es am Samstag (11.3.) mit einem Festzug vom Schloss Mirabell hierher geht. Den Begriff „Künstler“ darf man nicht zu eng sehen. Sagen wir: Leute, die sich bildnerisch gestaltend eingebracht haben. Kitsch ist – siehe Katechismusbildchen aus welcher Zeit auch immer – kein Kriterium, mit dem man bildlicher Religionsvermittlung gerecht wird.
Ein Markt ist da, mit einem Gewürzstand und Töpferwerkstatt, man kann in Kostüme schlüpfen, wie sie in Jesu‘ Zeit getragen wurden. In einem Pseudo-Gipsrelief sehen wir Römer, die es sich gut gehen lassen. „Unter den Füßen der fetten römischen Wohlstandsgesellschaft geht der Weg Jesu in den Tod“, erklärt Heinrich Wagner, Bibelreferent der Erzdiözese, Pfarrer in St. Elisabeth und nun eben auch Direktor des eigenen Erlebnismuseums.
Andere Stationen sind eher symbolhaft gehalten: Ein dunkler Raum mit Wurzelwerk an der Decke soll suggerieren, dass die Beschäftigung mit der Bibel bedeute, „sich an die Wurzeln zu begeben“, erklärt Wagner. Strohsäcke, dicht an dicht gehängt, fordern die Unternehmungslust heraus, sich einen Weg durch die Hindernisse zu bahnen. Empüfangen wird man von einem Bereich mit dem Beginn der Bibel: in hebräischen Schriftzeichen. Die Begegnung mit dem Judentum hat in der Elisabethkirche ein lange Tradition.
Kinder werden begeistert sein, wenn sie sich durch enge, stockfinstere Gänge tasten können. Ein plötzlicher Blitz in einem schmalen Gang: Paulus‘ Damaskus-Erlebnis. Nach den handfesten Dingen rundum hätte man als Besucher an der Stelle eigentlich ein Rodeo-Pferd erwartet, das einen vehement aus dem Sattel katapultiert wie einst den Apostel bei seiner Bekehrung. Aber da wäre die Verletzungsgefahr denn doch zu groß.
Die Wanderungen des Apostels Paulus sind ein großes Thema. Seine Wege im Mittelmeerraum entsprächen in etwa der Entfernung von Madrid bis Teheran. Paulus hat also auf großem Fuß gelebt (was man nicht im heutigen Sinn des Sprichworts verstehen darf). Der Riesenfuß steht jedenfalls anschaulich da, wie auch ein beplanktes Segelschiff, in dessen Bauch kleine Filmchen von biblischen Stätten gezeigt werden.
Stationen zum Erleben und Erkunden auf Schritt und Tritt. Unter Säulchen bergen kleine Tresore mit verspielten Modellbau-Dingen, die die richtigen Antworten auf Quizzfragen bestätigen. Mit einem abschlägigen Bescheid ist beim „Glücksautomaten“ zu rechnen, ganz egal, wie viele Münzen man hinein wirft. Mehr Geld, mehr Glück – das spielt’s beim lieben Gott nicht, soll an dieser Erlebnisstation vermittelt werden.