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Keine Energie mehr für Ehrlichkeit?

SCHAUSPIELHAUS / IN MARMOR

16/05/12 Art hat einen aufregenden Traum: Sex in einem Raum aus Marmor mit der Ehefrau des besten Freundes. Ben ist gar nicht amused. Denn seine Frau Catherine hatte auch einen aufregenden Traum: Sex in einem Raum aus Marmor mit dem besten Freund des Ehemannes.

Von Heidemarie Klabacher

Das schaut zunächst nach Komödie aus, wird aber keine. Martina Carrs Stück „In Marmor“ erlebte am Dienstag (15.5.) im Studio des Schauspielhauses in der Regie von Robert Pienz seine Österreichische Erstaufführung. Die irische Autorin Jahrgang 1964 untersucht die Tragfähigkeit des Konstruktes Ehe.

Die wiederkehrenden Träume vom Supersex im Marmorambiente bringen als erstes in Catherine, gespielt von Daniela Enzi, verdrängte verborgene vergessene Sehnsüchte nach einem freieren individuell gestalteten Leben zurück. Binnen kurzen steigert sie sich in ihr Traumleben hinein, fordert den „Traumpartner“ auf, seine Frau zu verlassen, will ein neues Leben beginnen. Art, gespielt von Harald Fröhlich, denkt nicht daran, ist von den Vorwürfen nach dem Muster der Anklagen betrogener Geliebter zuerst verblüfft, dann abgestoßen. Catherines psychische Gesundheit erleidet zunächst einen ernsthaften Knack, dann erholt sie sich und macht Ernst: Sie will Ehemann, Kinder, Sicherheit und Bürgerlichkeit hinter sich lassen, der Leere des Hausfrauendaseins "kurz vor dem Grab" für ein paar Jahre der Eigenständigkeit entfliehen.

Eine zweite Ehefrau gibt es in der Konstellation natürlich auch: Anne, gespielt von Ulrike Arp, hat alle „Selbstverwirklichungsträume“ bewusst begraben, Sehnsüchte, die sie vorgibt, nicht zu haben, verdrängt. Sie lebt am Rande des Alkoholismus nach strengem Ritual der perfekten Hausfrau. Von ihrem Ehemann Art, dem Vater ihrer vier Kinder, erwartet sie nur, dass er ebenfalls nicht aus der Rolle fällt.

Und der zweite Ehemann? Ben, gespielt von Olaf Salzer, steht dem Ganzen fassungslos gegenüber. Er scheint seine Frau Catherine tatsächlich noch zu lieben. So sauer er über die Traumtänzerei und über das bewusste Sich-Hineinsteigern in die virtuelle Affäre zunächst ist, so betroffen ist Ben über die sichtbaren Zeichen drohender psychischer Krankheit, so fassungslos ist er, als sich abzeichnet, dass Catherine tatsächlich gehen will….

Der Abend im Studio des Schauspielhauses ist enorm spannend. Die vier Darsteller sind einzeln und als Ensemble in Höchstform. Jeder der vier Charaktere ist in der Regie von Robert Pienz subtil und überaus glaubwürdig gezeichnet. Es wird in keiner Szene übertrieben. Die Tragödie spielt sich in leisen Tönen ab. Die zwei großen Monologe der Frauen sind Höhepunkte: Daniela Enzi imaginiert bemitleidenswert stark und bewundernswert naiv den Aufbruch.  Ulrike Arp zementiert die Lage in der Verdrängung selbstzerstörerisch bis ins Pathologische.

Die simple Bühne von Ragna Heiny – vier drehbare Tür- oder Wandelemente in einem Rahmen, dahinter das farblos-blaue Bild einer Wasseroberfläche – erlaubt mit wenigen Handgriffen die Herstellung der verschiedenen Lebensräume.

Die deutsche Übersetzung klingt plausibel, sie strapaziert nicht den Sprachzeitgeist. Der eine oder andere starke Spruch scheut nicht das Plakative: „Ich bin, was das Leben dir hingeworfen hat“ oder „So sehr hängst Du an deinem Tagleben…“ Lieblingsdialog: „Die Sonne scheint.“ – „Ach hör doch mit der auf.“ Kurzweiliger Abend also.

Dennoch wirkt "In Marmor"  von Marina Carr altbacken. Das Premierenpublikum ist ja ein so genanntes „gesetzteres“. Wirklich junge Frauen, Ehefrauen und Mütter „von Heute“ dürften ganz andere Probleme haben. Den sinn- und auch sonst leeren Tag als „Nurhausfrau“ mit Warten auf die Rückkehr des Haushaltsvorstandes und Ernährers totschlagen zu müssen: Das klingt fast ein wenig nach Luxusproblem angesichts der Doppelt- und Dreifachbelastung heutiger Frauen und Mütter einerseits – die sich andererseits fast schon als Wirtschaftverbrecher und Sozialschmarotzer hinstellen lassen müssen, wenn sie dem Markt ihre Arbeitskraft vorenthalten und bei ihren Kindern blieben wollen.

"In Marmor" - Aufführungen im Studio des Schauspielhauses bis 22. Juni - www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: SSH/Marco Riebler



 

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