Die Kunst, die Clowns, und ihre lustvolle Zukunft
REST DER WELT / GRAZ / STEIRISCHER HERBST
30/09/14 Frei im Wienerlied-Slang: Es wird eine Party sein, und wir wer'n nimma sein. Oder werden wir gerade deshalb doch sein, allen Unkenrufen einer „Eventisierung“ der Kunst zum Trotz? Ein Eiertanz auf zunehmend flachem Terrain gewiss...
Von Reinhard Kriechbaum
Grace Ellen Barkey, Jan Lauwers und die Needcompany waren eingeladen, zum Auftakt des „Steirischen Herbst“ genau darüber zu meditieren. Was für die Truppe in dem Fall bedeutete: aufdrehen und nach handfester, griffiger Gestalt für was auch immer suchen – und dann Winkelzüge einbauen ins Performative, die einem das eben so befreiende Lachen eigentlich im Hals stecken bleiben lassen sollten. Aber eben nur kurz, mit Ironie, und dann weiter im Getriebe! Für das war genug Raum in der Grazer Helmut List Halle: Eine Spielfläche von gut zwanzig mal zehn Metern mitten im Raum, die Zuseher drum herum stehend oder gehend. Aber Fortbewegung musste gar nicht sein, es zogen alle mit allem mal vorbei.
Zuerst anderthalb Stunden lustvolles Nachdenken über die Kunst als solche und darüber, wie nah wir sie an uns ranlassen: „If Art Is My Lover Then Who The F*** Are You?“ Harter Rocksound und schmissige Refrain-Liedchen, wirbelige Choreographie – und dann ist plötzlich nur einer, nur eine auf der Riesenbühne und denkt laut nach. Zum Beispiel darüber, ob die Bühne wirklich leer sein kann. „Der leere Raum“ heißt der berühmte Theateressay von Peter Brook. Geht gar nicht, lernen wir, wir stopfen ihn voll mit unseren eigenen Gedanken, die dann auch einen poetisch-philosophischen Ausritt wert sind.
Aber schnell wird weiter gespult, assoziativ und auch ein bisserl frech verknüpft. „Nice, nice nice“ muss der Künstler sein, angeblich. Da baut die Needcompany auch schon eine Art bewohntes Kartenhaus mit „netten“ Künstlern. In jedem Zwischenraum eine kleine, auf Videowalls übertragene Szene, die kleine Tragödien hinter der Verstellung zumindest erahnen lässt. Das Kartenhaus selbst ist logischerweise fragil und kommt selbst bei Berührung mit einer zarten, beweglichen Glitterfäden-Skulptur, die von der Decke hängt, bedrohlich ins Wanken. Alsbald wird über all die Malaise ein fahrbares Zelt gestülpt, das Mann und Maus und Riesenspielkarten scheinbar verschlingt und nur die Glitzerkostüme ausspuckt. Dann werden die hilflosen Menschlein in knappen Dessous quasi rausgeleert aus der schützenden Hülle.
Sex sells? Ein Gedanke, der als Parodie auf den chinesischen Nationalzirkus entwickelt wird. Die Nummernrevue lebt von Augenblicks-Assoziationen und ist mit viel Clownerie angereichert. Eine Darstellerin, jene, die wort- und bilderreich über die guten und raumfüllenden Gedanken spekuliert hat, bekommt es mit der Licht-Maschinerie zu tun, die bedrohliches Eigenleben gewinnt und sie in die Enge treibt. Enge trotz weitem Interpretations-Spielraum.
In der Pause werden Snacks und Getränke gereicht – und dann ein jäher Stimmungsumschwung. Der niederländische Komponist und Live-Elektroniker Rombout Willems sitzt an seinem Gerät, dem er mit großen Arm- und Handgesten Geräusch und Ton entlockt (eine tönende Human/Techno-Skulptur), während drei Clowns sichtlich vergreist, Parkinson-zitternd und mit unsicheren Schritten auf die Bühne schlurfen. Nach gefühlter Endlosigkeit kommt die Allegorie der Jugend daher, ein splitterfasernacktes zartes weibliches Geschöpf posiert auf einem drehbaren Podium. Aus dem Geräusch-Environement wird allmählich sanft säuselnder Pop, andere Clowns kommen, die Nasen werden bunter und die Gewänder auch, das Alter durchmischter. Es geht sicher weiter mit dem Theater, und die Spaßmacher sind auch noch nicht am Ende.
An diesem dann doch überraschend positiv gedachten Ende brach endlich der Bann und der Jubel des Publikums geht los – bis dahin hatten sich die Zuseher und -hörer an dem Abend nämlich erstaunlich abwartend gegeben und extrem mit Zwischenbeifall gespart. Der Blick ins Publikum ist beim „Steirischen Herbst“ immer erfrischend, gerade bei einem solchen Event. Da beweist sich die Stadt als studentisches Biotop. Wahrscheinlich nur wegen dieser latenten juvenilen Neugier hat das Festival (eine Geburt des 68er-Generation) so alt werden und zugleich jung bleiben können.