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Ein wirkliches Wunder blieb aus

KULTURVEREINIGUNG / NDR RADIOPHILHARMONIE 2

17/11/15 Nach Glinka und Tschaikowsky bedankte sich Chefdirigent Andrew Manze beim etwas überzogen reagierenden Auditorium mit dem berühmten Pizzikato aus Tschaikowskys „Vierter“ für die in Salzburg erwiesene Gastfreundschaft.

Von Horst Reischenböck

Als Auftakt, Muntermacher für jeden Klangkörper und Zuhörer stand am Freitag (13.11.) im Großen Festspielhaus Mikhail Glinkas quirrlige Ouvertüre zu „Ruslan und Ludmilla“ auf dem Programm. Musikalische Schilderung des Tohuwabohu in der fürstlichen Küche zu Kiew vor der anstehenden Hochzeit: Ihr ließen der Engländer Andrew Manze und die von ihm mit großen Gesten beflügelt relativ junge NDR Radiophilharmonie (1950 in Hannover gegründet) nichts an zündendem Schwung mangeln. Andrew Manze hat wohl eine besondere Affinität zu russischen Klängen.

In der Publikumsgunst unverwüstlich ist Tschaikowskys erstes Klavierkonzert, nicht nur wegen des Ohrwurm-Einstiegs. Es stellt die beiden Schwesterwerke in den Schatten: Das lichtvolle zweite Klavierkonert op. 44 hat, wie Beethovens Tripelkonzert, ein prächtiges Trio für Violine, Cello und Klavier inmitten. Das dritte Klavierkonzert, eine Art positives Gegenstück zur „Pathetique“, wurde lange verkannt und zudem posthum auf zwei Opus-Nummern 75 und 79 verteilt publiziert. Erst vor zwölf Jahren (!) wurde es als zusammen gehörendes Ganzes in St. Petersburg aufgeführt. Es gäbe übrigens auch noch die der Liszt-Schülerin Sophie Mentner gewidmet zweisätzige Konzertfantasie op. 56. Die beiden letztgenannten Werke waren noch nie in Salzburg zu erleben.

Zurück zum b-Moll-Konzert: Die landläufig gewohnte Version, die schon Lazar Berman vor rund dreißig Jahren vorstellte, entspricht nicht Tschaikowskys Intention. Diese kümmert die Mehrzahl an Interpreten bis heute wenig. Auch nicht Ingolf Wunder, der natürlich nach den orchestralen Forte-Schlägen anstelle der original gedachten Arpeggio-Skalen die gewohnt martialischen Akkorde vollgriffig in die Tastatur des Steinway meißelte.

Er setzte auch im Folgenden auf publikumswirksame Lautstärke und virtuose Wucht unter Zuhilfenahme des Pedals. Damit weckte er schon nach dem Kopfsatz Bravo-Rufer, natürlich auch nach dem mit gefordert perkussiver Pranke ausgeführten Finale. Die schönsten Eindrücke hinterließ er jedoch in den nicht weniger knifflig kapriziösen Passagen des zweiten Satzes mit dem Zitat des damals beliebten französischen Chanson „Il faut s'amuser, danser et rire“ inmitten.

Nach der Pause machte dann auch Andrew Manze aus seinem Herzen keine Mördergrube und ergab sich entsprechend leidenschaftlich Tschaikowskys fulminantem Gang „Durch Nacht zum Licht“ in dessen Symphonie Nr. 5 e-Moll op. 64. Gelegenheit, sich hingebungsvoll den Streichern zu widmen, deren erste Violinen mitunter aber doch etwas schwachbrüstig anmuteten. Das süffige Hornsolo im Andante cantabile ging auch nicht ohne Haken ab.

Kein Grund fürs Publikum indes, auf lautstarke Zustimmung zu verzichten. Der geradezu auffordernden Ansage von Elisabeth Fuchs vorneweg, bei dieser Live-Übertragung des NDR dürfe ruhig gehustet werden, hätte es eher nicht bedurft...

Bild: intermusica.co.uk / Benjamin Ealovega
Zur Besprechung des ersten Abends Musik muss halt auch vom Fleck kommen

 

 

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