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Ein Erzählen, das in Bann zieht und berührt

KULTURVEREINIGUNG / MATTHÄUSPASSION

13/03/14 Spannender als mancher Sonntagabendkrimi erscheint die alte Geschichte der Passion Christi in der Interpretation von Hansjörg Albrecht. Bach kommt in den Konzerten der Salzburger Kulturvereinigung so oft nicht vor. Nun also die „Matthäuspassion“.

Von Christiane Keckeis

140Dass Bach ein hervorragender Dramaturg war, der weiß, wie er mit einem gelungenen Mix aus Action, Reflektion und Herzberührendem sein Publikum fesselt, ist nichts Neues. Er wechselt so zwischen Handlung und Betrachtung, dass Herz und Hirn gleichermaßen beeindruckt sind. Um das in allen Facetten erlebbar zu machen, bedarf es freilich eines höchst qualitätvollen Musizierapparates, der bereit ist, sich ganz Bachs Strategie anzuvertrauen und sich ohne Anspruch auf Selbstinszenierung der Musik hinzugeben.

Eben dies leisten im Großen Festspielhaus mit der „Matthäuspassion“ das Bach Collegium München, der Münchener Bachchor, die Salzburger Chorknaben und Chormädchen samt sechs teils vorzüglichen Solisten unter der sensiblen Leitung von Hansjörg Albrecht.

Das Werk bedarf eines gewaltigen Aufbaus: zwei getrennt aufgestellte Chöre, zwei Orchester samt Continuo und ein zusätzlicher Sopranchor  für gelegentliche Cantus-firmus-Gestaltung, sechs Solisten. Das klingt üppig, wurde aber von Albrecht schlank gelöst. Aus einem Chor mach zwei: der Bachchor wurde geteilt, zwei Gruppen mit je rund 30 Sängerinnen und Sängern, was bei den Entfernungen im Festspielhaus schon sehr an der Untergrenze des Möglichen liegt. Das war leider trotz großer Durchsichtigkeit im Orchester auch ab und an hörbar – oder eben schlecht hörbar. Manchmal fehlte die gewünschte Durchschlagskraft. Nichtsdestotrotz: Die Chöre waren präsent, engagiert und gingen zugunsten der Gestaltung auch einmal über die Grenzen des reinen „Schönsingens“ heraus, sie beantworteten zügig  Albrechts flüssige Tempi, kein Verschleppen an den Übergängen , kein Verzögern in den Fugen. Kleine Inhomogenitäten in den einzelnen Stimmen der Kleinchöre, die auch die Intonation betrafen, sind angesichts der Gesamtleistung vernachlässigbar. Die Salzburger Chorknaben und Chormädchen meisterten ihre Aufgaben souverän und auffallend klangschön.

Großartig auch das/die Orchester, sehr durchsichtig, gut aufeinander eingespielt, jeder Wechsel des führenden Themas ist zu hören. Wunderbar, wie besonders die Streicher und die Generalbassspieler durch Strich- und Anschlagtechniken Rhythmus erzeugen, Akzente setzen, und Bachs Bildsprache farbig umsetzen. Das ist spannend, weil so viel geschieht in der Musik. Kleine Unaufmerksamkeiten, Hoppalas fallen bei so intensiv Musizierenden nicht ins Gewicht, sie kommen vor, stören aber nicht maßgeblich die Wirkung. Und wenn die Flöten und Oboen des rechten Orchesters wieder einmal tonverliebt zu schleppen beginnen, ist ohnehin Albrecht gleich da und zieht die Zügel  straff.  Er lässt grundsätzlich viel Raum, in den Arien und wenn er mit dem Cembalo beschäftigt ist, kommen oft nur kleine Gesten, Impulse, er vertraut auf das kammermusikalische Vermögen der Musizierenden und hält sich zurück, was zumeist aufgeht. Wenn allerdings die großen Chöre anstehen, leitet er mit Überblick und Sicherheit. Das spiegeln auch die wunderbar organischen Übergänge: Das Publikum kommt kaum zum Husten, die Spannung wird weitergeführt, nicht ausgelassen, was den stets präsenten Musizierenden ein Höchstmaß an Konzentration abfordert. Toll.

141Zum ungebrochenen Spannungsbogen trägt auch der Erzähler, der Evangelist maßgeblich bei: und wie Lothar Odinius diese Rolle erfüllt, ist ehrlich sensationell:  mit natürlichem Erzählton, ganz am Sprachduktus, stimmlich absolut souverän,  unmanieriert und doch so plastisch! Er wechselt die Farben, wenn es sein muss, mit jedem Wort, und so schlägt sein „Erzählen“ unweigerlich in den Bann. Ähnlich stark wirkt auch der Christus von Jochen Kupfer, mit schlankem und doch rundem Bariton, sensibel in der emotionalen Gestaltung und sehr kultiviert, aber auch mächtig, wenn es angemessen ist.

Berührend gestalten die beiden Damen des Solistenquartetts: die Altistin Bettina Ranch fasziniert mit warmem dunklem Timbre, das reiche Facetten zeigt, und mit ihrer ebenso klugen wie lebendigen differenzierten Darstellung. Die Intensität, die sie beispielsweise in der Arie „Erbarm Dich mein Gott“ erreicht, ist schlichtweg zum Weinen. Mit gradem, schlanken Engelston besticht die Sopranistin Johannette Zomer, auch sie sehr vielseitig in Tongestaltung, Beweglichkeit, Farbgebung – da möchte man noch länger zuhören.  Und das will etwas heißen bei einem auslandenden Werk wie der Matthäuspassion. Auch die beiden Herren Solisten musizieren solide mit guter Qualität, wenn auch nicht so lebendig und charakterorientiert wie die Damen: während der Tenor von Christoph Genz gelegentlich etwas indisponiert wirkt, klingt Stephan Loges profunder Bass ohne Druck bis in die Winkel des Festspielhauses. Ein ganz bisschen langweilig manchmal, aber durchaus schön.

Zu erwähnen ist noch der vorzügliche Continuo mit Gambe und Laute, Cello und Kontrabass, Orgel und Cembalo: sehr abwechslungsreich, in der Rezitativbegleitung mit Drive und Atem, je nach Bedarf, trägt auch die Continuogruppe wesentlich dazu bei, dass man als Zuhörer kaum die Chance hat, auszusteigen. Eine fesselnde Aufführung, flüssig, dramaturgisch ganz auf den Genius des Komponisten vertrauend, ohne tote Perfektion und Schönheitsideale, lebendig, spannend, berührend, in die Tiefe gehend – was könnte man sich mehr wünschen?

Bachs „Matthäuspassion“ ist auch heute Donnerstag (13.3.) und am Freitag (14.3.) um 19.30 Uhr im Großen Festspielhaus zu hören - www.kulturvereinigung.com
Bilder: Salzburger Kulturvereinigung

 

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