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Beklommenheit mündete in Jubel

LIEDERABEND GOERNE

21/02/14 Wer glaubte, Schuberts „Winterreise“ sei das Höchste an deprimierter Todessehnsucht, das man in einem Liederabend erleben könne, der wurde von Matthias Goerne im Großen Saal des Mozarteums eines besseren belehrt: Der Bassbariton gestaltete mit seinem Pianisten Alexander Schmalcz ein Programm, in dem er alle Tiefen des menschlichen Leids auslotete.

Von Christiane Keckeis

427Alban Bergs „Vier Lieder für eine Singstimme op. 2“, Schuberts „Gesänge des Haffners“, Brahms „Vier erste Gesänge“, Wolfs „Drei Gedichte von Michelangelo“ und eine Auswahl aus Schostakowitschs „Suite nach Worten von Michelangelo“ ergänzten einander zu einem ebenso emotional dichten, wie dramaturgisch klugen Zyklus, in dem Goerne alle seine gestalterischen Register ziehen konnte.

Gut siebzig Minuten hindurch, ohne Pause, ohne großen Aufenthalt zwischen den Stücken - und im Publikum hätte man eine Stecknadel fallen gehört, sogar die üblichen Hustenpausen, inzwischen nahezu unverzichtbarer Publikumsbeitrag zu jedem Konzert, kamen so gut wie nicht zur Anwendung – Spannung pur.

Er ist schon ein Phänomen, dieser Berg von Mann, der beim Singen zu Schweben beginnt, die Bodenhaftung zu verlieren scheint, tanzt, eine durchgehend emotional-musikalische und sehr eigene Körpersprache entwickelt, mit abwechselnd glühenden und gebrochenen Augen eine fast unheimliche, auf jeden Fall faszinierende Aura verbreitet. Und dann diese Stimme, die alles zu können scheint, von lyrischer Schönheit über kernige Aussagekraft bis hin zu dramatischer Attacke.

Goerne malt die Emotionen mit den Farben einer reichhaltigen Tongebung: nicht kitschig, nicht schmalzig, nicht übertrieben, nicht gewollt und künstlich hergestellt, aber intensiv, empfunden und überlegt. Wenn die Arbeit an Linie und Farben auch manchmal zu weniger Textverständnis führt (es ist schon ganz gut, dass die Texte zum Mitlesen im Programmheft zu finden sind, nicht nur bei den russischen Liedern Schostakowitschs), letztlich ist das Ergebnis beeindruckend. Mitreißend.

Goernes Begleiter am Klavier, Alexander Schmalcz, spielt ohne Profilierungssucht, sensibel, unterstützt den Sänger, geht auf ihn ein und lässt ihm den Raum, den er braucht, um Spannung aufzubauen.

Die Hoffnungslosigkeit indes nimmt bis zum Schluss kein Ende, der Tod, die Nacht, das Verzweifeln an Leid und Liebe ist allgegenwärtig und der innige Wunsch „Schlafen, schlafen, nichts als Schlafen!“ des ersten Alban Berg-Liedes findet seine Antwort im letzten Lied von Schostakowitsch: „ Schlaf ist mein Glück, so lange Schmach und Kummer auf Erden dauern (..) Sprich leise drum und stör nicht meinen Schlummer.“

Die grauschwarze Stimmung der Werke tat der Begeisterung des Publikums keinen Abbruch, die anfängliche Beklommenheit legte sich schnell und mündete in Jubel.

Bild: ISM/Marco Borggreve

 

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