Die Spanische Fliege
SALZBURGER JAZZHERBST / PACO DE LUCIA
05/11/12 Die Spanische Fliege schwirrte am Sonntag (4.11.) knappe zwei Stunden lang über die Bühne des Großen Festspielhauses. Einmal sanft Flügel schlagend, aber auch so, dass die das ehrwürdige Haus mit bedrohlich-rhythmischem Akzenten zum Staunen brachte – jedenfalls in einer wunderschönen, dramatisch fein abgestimmten Flugbahn.
Von Von Per Peterson
Was haben Woody Allen, Bob Dylan und Paco de Lucia gemeinsam? Die drei sind Träger des „Prinz von Asturien-Preises“, was mag daran liegen, dass sich alle in ihren Künsten treu geblieben sind – ob jährliches Filme-Produzieren, Nuscheln oder der Meisterschaft, der Gitarre die Spanische Fliege zu entlocken. Ohne Zweifel lieferte der 67 jährige Ehrendoktor der Musikuniversität Berklee ein Meisterstück an spanischer Folklore, experimentierfreudigem Flamenco, vermischt mit Jazz und Elementen des klassischen-Gitarren-Literatur ab.
Was im Vordergrund vor grünem Buschwerk solistisch in gebogenen Ritardandos und Diminuendos begann, entwickelte sich Stück für Stück zunächst durch das Zusammenspiel mit der Cajon (die Paco de Lucia in den siebziger Jahren selbst in den Flamenco eingeführt haben soll) und dem Eintreffen der restlichen sechs Mannen (zunächst als rein klatschende Rhythmus-Gruppe) zu einem Feuerwerk an Komplexität.
Und was für das große Ganze galt, kam auch im Kleinen, in den Stücken selbst zur Geltung: Fein nuancierte Gitarrenklänge, unerwartete Tutti- Fortissimi und Rhythmuswechsel ließen keinen Moment Langeweile aufkommen.
E-Bass, Rhythmus-Gitarre, ein etwas stilbrüchiges pseudo-analoges Keyboard und jede Menge synkopischer Handclaps der siebenköpfigen Band lehrten selbst dem euphorischsten Besucher, dass das Mitklatschen an diesem Abend ein Ding der Unmöglichkeit war. Nun gut, rief man halt am Ende der Stücke lauthals „Ole´!“
Doch Flamenco ist nicht nur Sehnsucht für die Gehörgänge: Was die Cajon nicht zu trommeln vermochte, stampfte der Tänzer Barullo aus dem – oder besser auf dem – Boden, kickte sozusagen den letzten Rest Staub von der Bühne und schuf damit nicht nur die eine oder andere Sechtzehntel-triolische Soloeinlage, sondern spielte mit den klatschenden Ensemblepartnern unter Einsatz des gesamten Körpers und einer Angst einflößenden Mimik ein grandioses Call-and -Response-Spiel.
Dass nicht wie ursprünglich geplant Paolo Conte das Finale des „Sing-a-Song“-Jazzherbstes bestritt, schien in Anbetracht des fast ausverkauften Festspielhauses und des donnernden Applauses nicht viele zu stören – vielleicht auch, weil die Sänger David de Jacobar und Rubino de Pruna dem Thema mehr als gerecht wurden.