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Am Anfang war der Klang

KAMMERCHOR SALZBURG / ANIMA E PASSIONE

15/10/12 Sollte David Lynch je einen Rappel bekommen und das Leben des Paulus verfilmen, wird er in Sachen Filmmusik nicht bei Angelo Badalamenti arbeiten lassen, sondern bei Heinrich Schütz: Dessen Motette „Saul“ gehört zum Psychedelischsten, was die Musikgeschichte hervorgebracht hat.

Von Heidemarie Klabacher

„Saul, was verfolgst Du mich“, ruft eine machtvolle Männerstimme. Überirdisch klare hohe Stimmen, die von überall herzukommen scheinen, greifen die Frage auf, erfüllen den Raum. Kein Wunder, dass der vormalige Christenjäger, derart von oben angerufen, vom Pferd gefallen und schlagartig vom Saulus zum Paulus mutiert ist.

Der Sakralraum beginnt zu vibrieren, Solisten-, Chor und Instrumentalstimmen scheinen von allen Seiten und aus allen Richtungen zu kommen: ein flirrender Rausch. Giacinto Scelsi oder Georg Friedrich Haas oder sonstige Spektralisten der Gegenwart könnten die faszinierendste „Audition“ im Neuen Testament nicht flirrender, nicht schillernder vertonen, als Heinrich Schütz.

In ständig wechselnden Aufstellungen, dabei immer transparent und ausgewogen im Klang, präsentierten der Kammerchor Salzburg, das Vokalensemble Anima e Passione und das Instrumentalensemble Musica Antiqua Salzburg unter der Leitung von Norbert Brandauer in der Pfarrkirche Itzling am Freitag (12.10.) mehrchörige Musik von Giovanni Gabrieli und seinem Meisterschüler Heinrich Schütz. Dieser hat nach Gabrielis Vorbild erstmals deutsche Texte im Stile der venezianischen Mehrchörigkeit vertont.

Dessen Motette „Saul“ und die ebenso dramatisch gestaltete Motette „Es ist erschienen“ waren zusammen mit dem triumphierenden „Magnifikat“ Höhepunkte des Abends. Bei diesen Interpretationen Bereicherten mitreißende Dynamik und Agogik den strahlend gerundeten Chorklang und die hervorragende Textverständlichkeit. Dagegen kamen Giovanni Gabrielis Motetten „Jubilate Deo“ oder „Nunc Dimitis“, bei aller Klangschönheit, in Phrasierung und Gestaltung doch sehr vorsichtig und bedächtig daher.

Das erst 2010 gegründete Originalsklangensemble Musica Antiqua Salzburg mit Zink, Posaunen, Geige, Gambe und Orgel schlug in Sonaten und Canzonen von Giovanni Battista Fontana, Benedetto Re oder eben Giovanni Gabrieli genau den gegenteiligen Kurs ein, nahm mit musikantisch ausgespielter „historisch informierter“ Phrasierung das Risiko von Intonationsproblemen in Kauf. Bei den begleiteten Motetten setzten Musica Antiqua Salzburg facettenreiche Farbakzente.

In Erinnerung bleiben, neben dem in machtvollen Wogen daherrollenden Chorklang, die stilsicher den Text ausdeutenden Solistinnen und Solisten, sei es in der Motette „Ich hebe meine Augen auf“ oder im „Magnificat“.

Bild: musicaantiqua.at

 

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