Entscheidung für die Poesien eines Mikrotöners
KOMPOSITIONSPREIS DES LANDES SALZBURG
09/08/12 Die Jury habe ihm einen „Blankoscheck ausgestellt“, sagt Georg Friedrich Haas, Träger des Internationalen Kompositionspreises des Landes Salzburg 2013. Diese mit 60.000 Euro extrem hoch dotierte Auszeichnung würdigt laut Statuten ja auch ein Lebenswerk, die bisherigen drei Preisträger waren Salvatore Sciarrino, Klaus Huber und Friedrich Cerha.
Von Reinhard Kriechbaum
Von einem „Blankoscheck“ sprach Haas, weil die letzten Preisträger ja eine Generation älter sind als er. Wann ist man reif dafür, in diese erlauchte Liste aufgenommen zu werden? Ein Wechsel in der Altersstruktur sei ratsam gewesen, sagte Jury-Vorsitzender Markus Hinterhäuser bei der Präsentation des vierten Preisträgers. Die drei Mitglieder – neben Hinterhäuser der „Zeit“-Journalist Claus Spahn und der Pianist Pierre Laurent Aimard – habe sich die Wahl nicht leicht gemacht. Jeder der drei, so Hinterhäuser, habe eine Liste erstellt, und es hätten sich „interessante Gleichklänge“ ergeben. Trotzdem habe es geraume Zeit gedauert, bis man sich auf den 1953 in Graz geborenen Georg Friedrich Haas geeinigt habe. Pierre Laurent Aimard (der als Pianist weniger konfrontiert ist mit jenen Mikrotönen, die das Spezifische in den Werken von Haas ausmachen) sei „erst zu überzeugen“ gewesen.
In Salzburg kennt man Georg Friedrich Haas seit Jahrzehnten und konnte seine Entwicklung sehr gut verfolgen. In den 1980er Jahren wurden schon Werke von ihm beim Festival Aspekte erstaufgeführt. 1993 war er Stipendiat bei den Salzburger Festspielen. Haas-Werke waren regelmäßig beim Zeitfluss-Festival zu hörern und in der Kontinente-Reihe. Sein Drittes Streichquartett, für das dem Komponisten ein stockdunkler Konzertsaal vorschwebt, stand im Vorjahr auf dem Programm, im letzten Konzert der von Hinterhäuser als Festspiel-Konzertchef bzw. als Intendant programmierten Kontinente-Reihe.
Auch für die Internationale Stiftung Mozarteum war Haas immer wieder tätig. So erhielt er beispielsweise einen Kompositionsauftrag für das Dialoge-Festival "Klangräume" im Jahr 2005 und im vergangenen Jahr für sein 6. Streichquartett. Diese Komposition entstand speziell für das Jubiläum des Hagenquartetts, mit dem Georg Friedrich Haas seit vielen Jahren eng verbunden ist. Auch mit dem oenm (Österreichisches Ensemble für Neue Musik) und dem Stadler Quartett arbeitet Haas regelmäßig zusammen.
Das jüngste Salzburger Projekt: Am 25. August 2012 kommt es zur Uraufführung eines Auftragswerks der Salzburger Festspiele bei den Mozart-Matineen. „… e finiosco già“ heißt dieses Orchesterstück.
Haas’ Werk decke „ein großes Spektrum zwischen Kammermusik und Musiktheater ab und findet weltweit Anerkennung", so Kulturreferent David Brenner in einem Pressegespräch. Einige seiner Kompositionen gehören bereits zu den meistaufgeführten im Feld der Neuen Musik, zum Beispiel "In Vain" oder das 3. Streichquartett. Georg Friedrich Haas gilt auch als herausragender Opernkomponist, besonders zu erwähnen sind "Melancholia" und "Bluthaus".
Aus der Jury-Begründung: Der 59jährige habe sich „unabhängig von allen kompositorischen Moden– menschlich still und künstlerisch unbeirrbar – über die Jahrzehnte seines Schaffens hinweg eine herausragende künstlerische Eigenständigkeit“ erarbeitet. „Haas hat früh die wohltemperierte Tonskala als eine Beschränkung seiner Klangfantasie empfunden und sich dem offenen Feld der Mikrotonalität zugewandt, mit Ober- und Teiltönen experimentiert und die Bedeutung der Klangfarbe gegenüber der Tonhöhe akzentuiert. Seine Musik bewegt sich seitdem abseits der tradierten, kompositorischen Pfade, ist hochelaboriert – und bleibt trotzdem für den Hörer auf unmittelbare Weise erfahrbar.“ Haas sei „kein der Welt abgewandter Komponist. Er reagiert mit seiner Musik auf Gegenwart und gesellschaftliche Aktualität, auch politische. Sein umfangreiches Oeuvre ist facettenreich. Und es spricht bei aller Komplexität immer emphatisch zum hörenden Menschen.“
Der mit 20.000 Euro dotierte Förderungspreis geht an den 38jährigen Italiener Aureliano Cattaneo. Die Jury sieht in dem 38jährigen einen Komponisten „voller Eigensinn, Klangfantasie und Vielseitigkeit.“ Cattaneo lebt und arbeitet in Madrid.