Das erste Opern-Open-Air Europas?
HINTERGRUND / MARCUS SITTICUS / KONZERT, SYMPOSION
13/06/12 Ob’s wirklich wahr ist, werden wir vielleicht beim bevorstehenden zweitägigen wissenschaftlichen Symposion über den Salzburger Landesfürsten im Frühbarock erfahren: Am 31. August 1617 könnte der erste musikalische Freiluft-Event in Sachen Oper in Europa stattgefunden haben.
Von Reinhard Kriechbaum
Der kunstsinnige Marcus Sitticus ließ damals Claudio Monteverdis „Orfeo“ im Steintheater von Hellbrunn aufführen. „Die erste Opernaufführung auf deutschem Boden“ sei es gewesen, heißt es auf einer Gedenktafel vor Ort – aber das dürfte denn doch nicht stimmen, nicht mal auf Salzburg bezogen. In Wirklichkeit hatte man schon einige Jahre zuvor im Carabinierisaal der Residenz Oper gespielt, und das war damals angeblich wirklich die erste Opernaufführung nördlich der Alpen. Hoffentlich bestätigen die Musikwissenschafter eben dies am Samstag (16.6.) vormittags, wenn bei der zweitägigen Tagung über Marcus Sitticus „Zeremoniell und Musik“ das Thema sind.
Dass beide Opernaufführungen in die Amtszeit (1612-1619) des aus Hohenems stammenden Salzburger Landesfürsten fallen, ist kein Zufall. Der vor 400 Jahren in der Franziskanerkirche (den neuen Dom gab es ja noch nicht) zum Erzbischof geweihte Adelige war verschwägert mit namhaften Familien. Er zählte zu den kunstsinnigsten Erzbischöfen und stand seinem Cousin und Vorgänger, Wolf Dietrich von Raitenau, mit seinem Interesse an Musik nicht nach. War das höfische und geistliche Musikleben unter Wolf Dietrich zunächst auf sakrale Musik konzentriert, so öffnete Marcus Sitticus seinen Hof der damals modernsten weltlichen Musik. Tanz und Madrigal waren tragende Elemente, die in dieser Form in den folgenden zwei Jahrhunderten am Salzburger Fürstenhof nie mehr in dieser Pracht zum Tragen kamen.
Daran erinnert die Salzburger Bachgesellschaft in zwei Konzerten im Carabinierisaal des Schlosses Hellbrunn, also sozusagen an einem der „Originalschauplätze“. Dort kann man ja im Nachbarhaus, dem Oktogon, den Bonvivant als Rosenkavalier sehen – doch kundige Führer machen die Hellbrunn-Besucher dort aufmerksam, dass eigentlich die hübsche Dame es ist, die dem Erzbischof eine rote Blume überreicht. Das war seiner gesellschaftlichen Position geschuldet.
In den beiden Konzerten der Bachgesellschaft (14.,15.6.)– in Zusammenarbeit mit dem Institut für Alte Musik – wird man jedenfalls Komponistennamen begegnen, die den besten internationalen Klang hatten zu der Zeit: von Giovanni Gabrieli bis Marco Uccelini, von Sigismondo d’India bis Giovanni Gastoldi. An Instrumental- und Vokalwerken wird man dem Klang des Frühbarocks lauschen können. Und das Ensemble Musica et Saltatoria um Natalie Gal wird auch zeigen, wie die Tänze damals ausgesehen haben könnten. Es singen und musizieren Studierende der Universität Mozarteum.
Beim zweitägigen Symposion (15., 16.6.) muss es in diesem Fall gar nicht trockener hergehen, denn Marcus Sitticus bietet süffige Themen. Das beginnt damit, dass man den Nepotismus in kirchlichen Karrieren an seinem Beispiel recht anschaulich zeigen kann. Aber man wäre auf dem Holzweg, wenn man Marcus Sitticus nur Beschäftigung mit den Freuden des (Kunst-)Lebens nachsagte: Immerhin war die Gegenreformation ein großes Thema, und sowohl Kirchenhistoriker wie Kunstgeschichtler erklären in Referaten, wie sich Marcus Sitticus – etwa als Erbauer des Salzburger Doms, als Gründer der Benediktineruniversität – diesen Herausforderungen stellte. Man stand ja unmittelbar am Beginn des Dreißigjährigen Kriegs.
Konzerte und Symposion werden in Zusammenarbeit von Dommuseum, Diözesanarchiv, Universität, Bachgesellschaft und den „Kulturellen Sonderprojekten“ des Landes ausgerichtet. Im Dommuseum läuft bis 28. Oktober eine Sonderschau über Marcus Sitticus.