Noriker und andere Kaltblüter
HINTERGRUND / FREILICHTMUSEUM / ROSSERERTAG
27/06/14 Eine komische Sache: Mit der Erfindung des Traktors schien dem Pferd als Nutztier die letzte Stunde geschlagen zu haben. Doch mit dem Erstarken der Freizeitgesellschaft haben sich die lebenden 1-PS-Geräte wieder einiges an Terrain zurückerobert. Wer, wenn nicht Pferde, sollte im Winter die vielen Touristen auf den Schlitten ziehen?
Von Reinhard Kriechbaum
Über solche Dinge kann man beim „Rosserertag“ nachdenken. Er erinnert daran, dass Pferde früher absolut unverzichtbar waren in der Landwirtschaft. In fast allen bäuerlichen Kulturen im deutschen Sprachraum gibt es einen Spruch (im jeweiligen Dialekt), der bei uns so lautet: „Frauensterben – kein Verderben / Pferdverrecken – großer Schrecken.“ Ein an Zynismus und Frauenfeindlichkeit kaum zu überbietender Sager?
Man muss sich die soziale Situation der Bauern vor Augen halten. Ein Pferd sicherte die Verrichtung der diversen Feldarbeiten – und wer einst in der Lage war, sein Feld zu bestellen, der war wirtschaftlich aus dem Schneider. Einer mit Pferd hatte gute Chancen auf dem Heiratsmarkt und auch als Witwer gute Optionen. Einem Bauern ohne Pferd stand hingegen der Ruin bevor.
Heute kann man sich die Arbeit in der Landwirtschaft ohne Traktor nicht mehr vorstellen. Kein Gerät hat die Arbeit auf dem Bauernhof so verändert wie diese Universalmaschine. Dass es auch einmal ein Leben vor dem Traktor gab, demonstrieren am kommenden Sonntag (29.6.) die „Flåchgauer Fuhrleit“ im Salzburger Freilichtmuseum in Großgmain. In zahlreichen Vorführungen führen sie vor, wie Landwirtschaft und bäuerliche Tätigkeiten mit Hilfe von Arbeitspferden funktionierten.
Mit einem Großaufgebot an Norikern und anderen Kaltblut-Rössern sowie dazugehörigen Wagen, Anhängern und Feldgeräten werden am „Rosserertag“ alte Arbeitstechniken lebendig. Ohne Pferd ging gar nichts. Holz ziehen, Mäharbeit, Heu auflegen, Heu rechen und die Arbeit mit dem Göpel. Ebenfalls gezeigt wird das Ziehen verschiedener Fuhrwerke, z. B. des Jauchewagens und des Leichenwagens. Im Rahmen einer historischen Löschübung kommt auch der Feuerwehr-Spritzenwagen zum Einsatz. Der wurde natürlich auch von Pferden gezogen.
Das Programmangebot an diesem Tag beinhaltet kostenlose Kutschenfahrten für die Besucherinnen und Besucher. Handwerksvorführungen, die in enger Beziehung zum Pferd stehen, dürfen an einem solchen Tag nicht fehlen: Vor Ort sind daher auch Hufschmied, Sattler und Peitschenmacher zu finden.
Möglich wurde diese Veranstaltung durch ein paar unentwegte Pferdeliebhaber unter Salzburgs Bauern. Die so genannten „Flåchgauer Fuhrleit“ bemühen sich seit vielen Jahren, die alte Tradition „Pferd und Mensch in der Landwirtschaft“ zu bewahren.
Der Umgang mit dem Pferd hat aber heutzutage sonst nichts „Museales“ mehr an sich. Die Pferde-Populationen haben in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren beachtlich zugenommen, und jene Menschen, die quasi „freizeitwirtschaftlich“ mit Pferden umgehen, bringen sich neuerdings auch wieder in Brauch-Leben ein. Das Klöcken zum Beispiel, das Peitschenschnalzen von Reitern, wird nicht nur an den klassischen Vieh-Weihetagen an den Festen der Heiligen Georg und Leonhard praktiziert, sondern gehört mittlerweile zu Dorffesten, Umzügen und Hochzeiten. Viele Bräuche sind neu aufgekommen und revitalisiert worden.