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Ping-Pong mit Noten

HINTERGRUND / CAPRICCIO

26/07/24 Heute ist Premiere. Gestern sprach Christian Thielemann über die erste Oper dieser Festspiele – Capriccio von Richard Strauss konzertant im Großen Festspielhaus. Ein Grundproblem der Oper ist Thema dieser Oper: Das Verhältnis von Musik und Wort.

An Strauss´ Musik fasziniere ihn seit seiner frühen Jugend besonders dessen „unglaubliche Orchestrierungsvirtuosität“, sagt Thielemann und betont die genau darin liegenden „Gefahren“. Er habe erst lernen müssen, wie wichtig es sei, etwa in Kadenzen das Tempo nicht zu verlangsamen und eine zu große Sentimentalität zu vermeiden.

„Bei Strauss, gerade etwa im Rosenkavalier oder im Capriccio lauern viele Fallen. Ich sage den Musikern da manchmal: Denken Sie an Figaro oder an Mendelssohn, an die feinen Verästelungen in dieser Musik. Strauss´ Partitur enthält da eher so etwas wie eine Ahnung oder einen Hinweis auf ein Rubato, das aber sehr wohl dosiert werden muss. Das kommt dann auch den Sängern zugute. Wenn man etwa in der Frau ohne Schatten alle dynamischen Angaben wörtlich nehmen würde, wären die Sänger und die Ohren des Publikums schnell am Ende.“

Capriccio also. „Ein Konversationsstück jenseits gängiger Normen“. Das Libretto schrieben Richard Strauss und Clemens Krauss. „Die Idee stammt ja eigentlich von Stefan Zweig, ist dann aber für eine ganze Weile in Strauss´ Schreibtisch verschwunden.“ Ihn beeindrucke das Raffinement in Strauss´ Partitur: „Ich habe Capriccio mittlerweile schon oft dirigiert, aber ich entdecke immer wieder etwas Neues, wie etwa ein kleines Motiv in den Bratschen oder der Hornstimme.“ Auch das Strauss´sche Parlando sei etwas Spezielles: „Es soll so wirken, als ob es im Moment gesprochen wird“.

Von Strauss selbst existiere ein Vorwort zur Partitur, in dem er anregt, Leseproben mit den Sängern abzuhalten, berichtet Thielemann. Erst dadurch kämen die vielen überraschenden Situationen zum Tragen und offenbare sich, welches Wort an bestimmten Stellen das wichtigste sei. „Leichte Noblesse, eine leichte Form von Herablassung und Ironie“ werde so serviert. All diese Dinge sprachlich zu transportieren, sei wichtig, es gelte, den Text immer wieder zu lesen, betont der Dirigent. In der Natürlichkeit dieses Stils sieht er Verwandtschaften zu Merkmalen der deutschen Spieloper wie Lortzings Zar und Zimmermann, Der Wildschütz oder Wagners Meistersinger. Für

Dirigent und Orchester sei es schwierig, das zu unterstützen, man müsse etwa der Gefahr zu dicker Streicher vorbeugen. Wichtig sei das Pianissimo im „feinen Gewirk“ von Streichersoli, etwa gleich zu Beginn im ganz im Piano gehaltenen Sextett von Capriccio. „Man muss den Mut haben, mit den leisen Tönen zu spielen. Das ist es, worum es geht, sonst kommt das Parlando nicht richtig heraus. Die Wiener Philharmoniker hören den Sängern genau zu, sie reagieren seismografisch auf leise Schattierungen.“

Bei der Aufführung von Strauss müsse man auch bedenken, wie Instrumente, etwa die Trompeten Trompeten, vor hundert Jahren geklungen haben: „Ein Forte von früher ist nicht dasselbe Forte wie heute.“ Von Vorteil sei die Erfahrung mit dem Haus, mit dem sowohl er als auch die Wiener Philharmoniker bestens vertraut seien: „Man hört dort sehr gut, und man weiß, was machbar ist.“ Die Zitate eigener und fremder musikalischer Zitate im Capriccio müsse man „ohne lehrerhafte Attitüde“ herausholen: „Es hilft natürlich, wenn man Strauss kennt und wenn man sich über das Libretto in die Handlung einliest.“ Für die Wechselwirkung von Musik und Gesang sei die konzertante Aufführungsform von Vorteil. Ebenso, dass er und die Wiener Philharmoniker einander bestens kennen, betont Thielemann: „Daraus entsteht eine Art musikalisches Ping-Pong-Spiel.“

Keineswegs geht es „nur“ um intellektuelle Fragen im Stück.„Das Werk ist im Grunde die größte Regimekritik, die man sich vorstellen kann. Genau dadurch, dass er den Umständen der Zeit etwas völlig Anderes entgegensetzt und sie dadurch ignoriert, äußert er sich. Sein Schweigen dazu sagt im Grund genommen alles.“ (SFS / dpk-klaba)

Cappricio – Premiere der konzertanten Aufführung ist heute Freitag (26.7.) im Großen Festspielhaus – www.salzburgerfestspiele.at
Bild: SFS / Marco Borrelli

 

 

 

 

 

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