Größte Vorsicht vor dem Fagott!
SALZBURG MUSEUM / MUSIKSTADT SALZBURG
21/05/15 Das von einem spitzzahnigen Tiermaul bekrönte Kontrafagott macht viel her, in der Vitrine und im Video. Da sieht man nämlich, dass die Zunge des Viehs nicht starr ist, sondern beim Spielen vibriert. Musizierpartner und Publikum müssen sich ordentlich gefürchtet haben.
Von Reinhard Kriechbaum
Wahrscheinlich sind dergleichen Musik-Ungeheuer aus Gründen der Menschenfreundlichkeit bald außer Gebrauch gekommen und werden heutzutage nur noch hinter Glas gezeigt. Das Salzburg Museum stellt jetzt nach vieljähriger Pause wieder seine historischen Instrumente in einer Dauerausstellung vor. Das Fagott mit dem Tierkopf ist ein Stück, das natürlich Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität hat man für die neue Schau aber nicht deshalb an Bord geholt, um Opfer allzu bissiger Musikgeräte in Tiergestalt fachgerecht zu verarzten. Eine solche Ausstellung ist ja mit viel Forschungsarbeit verbunden. Und da hat man eben bei der Neuroradiologie vorgesprochen und zuletzt einige Lauten mittels CT untersuchen lassen. Scheibchenwseise durchleuchtet in 0,4 bis 0,6-Millimeter-Schichten, das bringt’s. Da bleibt kein Bau- oder Umbaudetail verborgen.
Das ist nun eher etwas für die Wissenschaft. Andere Aspekte der inter-institutionellen Zusammenarbeit kommen den Besucherinnen und Besuchern der neuen Ausstellung unmittelbar zugute. Per Tochscreen kann man Videobeispiele aufrufen, hören, wie all die Absonderlichkeiten klingen und sehen, wenn Musiker sich mit aufführungspraktischem Wissen darüber hermachen. Eine „Tromba Marina“, auch Nonnengeige oder auch Trumscheit genannt, werden selbst Musikfreunde kaum einmal hautnah erlebt haben. Der Orphica, ein Hammerklavier, das man im Biedermeier auf Spaziergänge mitgenommen hat, lauscht man auch mit Neugier nach.
Stichwort Orphica: Sie teilt sich den Glaskasten mit ein paar Spazierstockflöten. Geographisch ist dieser kleine Raum in Salzburg mit dem Schlosspark Aigen verknüpft: Da darf man sich Leute wie Michael Haydn spazierend, musizierend und Männerquartette singend vorstellen.
Michael Haydns Flügel ist natürlich da und ein Clavichord aus dem Besitz der Maria Anna Freifrau von Sonnenburg, besser bekannt als Nannerl Mozart. Im Alter war sie eine gefragte Klavierlehrerin am Ort und Kronzeugin für die frühe Mozart-Verehrung. Alle Ausstellungsstücke sind konkret verortet. Man nimmt also etwas mit für den nächsten Stadtspaziergang. Wenn der Riesenpommer, mit der man vielleicht H.I.F.Bibers klangprächtige „Missa Salisburgensis“ im Bass unterfüttert hat, wirklich so imponierend klingt, muss das im Don mächtig geklungen haben.
Sechzig von gut 150 historischen Musikinstrumenten sind ausgestellt, multimedial attraktiv und – soferne man nur die Glasvitrinen anschaut – auch optisch ansprechend, weil die Blas- und Streichinstrumente quasi im Raum schweben.
Aber das Drumherum, die Ausstellungsarchitektur! Die wuchtigen schwarze Regalwände, übers Eck geführt und kleine Kojen bildend, sind keineswegs dazu da, im nächsten Jahrhundert Bücher aufzunehmen (die Kapazität wäre ausreichend). Die fünf Ebenen symbolisieren die fünf Notenlinien, erklären die Ausstellungsmacher. Darauf muss man erst mal kommen. Nicht nur die Billy-Designer von IKEA werden die Köpfe schütteln. Die Texttafeln sind ziemlich unmotiviert dem Regal-Machwerk vorgeblendet, das Wort Raumverschwendung drängt sich auf. Auf 170 Quadratmetern hätte man noch so manches Musikinstrument unterbringen können.
Kinder werden entzückt sein, wenn sie an einem Bühnenbildmodell – Stichwort: Benediktinertheater – kurbeln und ein Schifflein auf den Wellen schaukeln lassen dürfen. Erwachsene werden neugierig das Stahlklavier, eine Frühform der Celesta, begutachten.
Die neue Musikinstrumentenschau ist im zweiten Stockwerk des Salzburg Museums, wo man dem „Mythos Salzburg“ nachspürt, inhaltlich plausibel untergebracht. Sogar ein Filmchen mit „Sound-of-Music“-Marionetten läuft.
Das Forschungs-Langzeitprojekt – bis 2018 – drumherum kann sich sehen lassen. Von einer „modellhaften Zusammenarbeit für Wissenstransfer und Forschung“ spricht Martin Hochleitner, Direktor des Salzburg Museums. Lehrende und Studierende der Universität Mozarteum beschäftigen sich auf Jahre mit den alten Instrumenten und ihren Spielweisen, auch mit solchen aus dem Tiroler Landesmuseum in Innsbruck. Musikwissenschafter und Kunsthistoriker der Universität Salzburg sind eingebunden, der Bund spendiert aus dem Fundus für solchen Kooperationen an die 400.000 Euro. Es wird eine Konzertreihe „Mozarteum im Museum“ geben, Workshops und Symposien. Den Auftakt macht gleich jetzt, von 21. bis 23. Mai, eine Tagung über die Lauteninstrumente der Sammlung.