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Weißt du wie viel Sternlein stehen?

SALZBURGER ADVENTSINGEN

28/11/14 Szenenapplaus – darauf haben beim Salzburger Adventsingen die Hirtenkinder das Exklusivrecht. Aber diesmal, nach dem effektvollen Magnificat, hätte es wohl nicht weit gefehlt zum spontanen Zwischenbeifall. Jedenfalls bei der Voraufführung am Donnerstag (27.11.) im Großen Festspielhaus.

Von Reinhard Kriechbaum

Mit diesem Magnificat, der Neufassung einer Komposition von 2008, ist Klemens Vereno nun wirklich ein Wurf gelungen, eine Vertonung, die den Nimbus der Liedkantate weit hinter sich lässt. Das ist eine respektable Opernszene, vom Wort, vor allem vom Wort-Sinn her gedacht und gefasst. Maria (in dieser Aufführung Simone Vierlinger) und Josef (Bernhard Teufl) stimmen es gemeinsam an, die kleinen Vokalgruppen – die erstmals fürs Adventsingen verpflichteten Perlseer Dirndln und der Salzburger Viergesang – sind so konzis eingebunden wie der Volksliedchor (deutlich verjüngt vor allem auf der Männerseite). Und das, ohne eine zeitgemäße Tonsprache zu verleugnen.

Gerade diese Verschränkungen zwischen Drei- und Viergesang und den anderen Gruppen macht den Reiz der diesjährigen Produktion aus. Originell die Kombination von „Es mag nit finster werden“ mit dem nicht minder populären „Wer klopfet an“. Viele der Volkslieder sind sehr spezifisch gefasst, sei es im Instrumentalsatz oder eben im Miteinander der Gruppen, die dann auch mutig und kompetent aus ihrem je eigenen Idiom herausfinden in ein neues Ganzes in eigener, eben in Klemens Verenos Handschrift. Er drückt dem Adventsingen heuer seine Handschrift auf. Herbert Böck kann als musikalischer Leiter aus den guten Ressourcen schöpfen und weckt die Fähigkeiten zur Flexibilität.

Mag sein, dass manchem Besucher das unverstellt Volkstümliche ein wenig zu kurz gekommen erscheint. Dem ist entgegen zu halten: Das Advent-Spektakel vor 2000 Besuchern muss künstlerisch gefasst sein, alles andere wäre ein verlogenes Vorgaukeln einer Volkskultur, die es in dieser Raumdimension unverfälscht nicht geben kann.

Der Engel (Claire Elizabeth Craig) hat mehr Auftritte als in der Bibel vorgesehen: Immer wieder nämlich ist seine Sopran-Spitze akustisch gefragt. Heuer tritt auch der Langzeit-Josef Bernhard Teufl öfter als sonst singend in Erscheinung, eine vorbildlich frei geführte Tenorstimme ganz ohne Manierismen.

Auch textlich und szenisch ist von dieser Produktion – der geglücktesten seit vielen Jahren – viel Gutes zu berichten. Alf Beinell ist „Der Sterngucker“, der dem Stück den Titel gibt: ein interessanter Typ nicht nur deshalb, weil er seinen weichen wienerischen Stimmansatz und den verlangten Dialekt in einem konstruktiven Spannungsverhältnis belässt und so die Grätsche dieser Figur – Philosoph mit Weitblick, Bauernknecht und so etwas wie „gütiger Großvater“ für ein Hirtenkind – wirklich souverän spannt. Von der wortreichen Weltverbesserung (von der das Salzburger Adventsingen in letzter Zeit stark infiziert war) ist man gesundet. Textautor (und Gesamtleiter) Hans Köhl hat diesmal merklich Selbstzensur betrieben. Es wird in den Sprechszenen der Rahmenhandlung um den Sterngucker viel Lebensweisheit angerissen, aber sie wird nicht breit getreten. „Weißt du wie viel Sternlein stehen?“ streut das Glockenspiel manchmal in den Dialog mit dem Hirtenkind ein.

Die Kompetenz der Regisseurin Caroline Richards bei der Führung von Kindern und – heuer fast mehr gefragt – Jugendlichen ist unbestritten und macht sich bezahlt. Die Hirten haben diesmal viel zu tun, treten sogar durch den Zuschauerraum auf. Hirtenboarischer und Hirtenlied, Goiserer Landler, dann der obligate Schleuniger mit Pasch: Die jungen Leute sind wieder auch an den Instrumenten vielfältig herausgefordert, Die Herzen des Publikums, zu dem Zeitpunkt adventlich schon so recht warmgelaufen, fliegen ihnen sowieso zu.

Einprägsam ist der Auftritt der Alpinia-Tresterergruppe: Dieser geheimnisvolle „Schuhplattler ohne Musik“, mit den einst aus dem höfischen Tanz abgeleiteten Schrittfolgen und den aus dem venezianischen Karneval herausgewachsenen Kostümen, gehört zu den volkskundlichen Absonderlichkeiten hierzulande. Die weißen Feder-Hüte scheinen in die Prärie besser zu passen als ins Alpenland. Gut, dass man dies, etwas für das Salzburger Brauchtum so Typisches, nun auch wieder einmal im Adventsingen drin hat.

Aufführungen bis 14. Dezember – www.salzburgeradventsingen.at
Bilder: Salzburger Adventsingen

 

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