So machen's nicht alle
ODEÏON / COSÌ FAN TUTTE
20/08/16 Ein gelungenes Wagnis: Die bei den Salzburger Festspielen regelmäßig mit Konzerten in Erscheinung tretende Angelika-Prokopp-Sommerakademie der Wiener Philharmoniker lieferte unter Angelika Kirchschlagers Schirmherrschaft als „Nachschlag“ die erste Auseinandersetzung mit einer Mozart-Oper. Eine sowohl sehens- wie auch hörenswerte Produktion.
Von Horst Reischenböck
Der Termin an einem sommerlich sonnig-warmen Sonntagnachmittag mit Beginn ausgerechnet um 16 Uhr war nicht ganz glücklich gewählt, sonst hätte man vermutlich mehr Publikum erreicht. Wer trotzdem den Weg an den Stadtrand ins Odeïon nicht scheute, wurde durchaus belohnt. Es bot ausreichend Raum, um vom Klang der perfekt tönenden dreißig Musiker – mit dem philharmonischen Geiger Günter Seifert, der zusammen mit Michael Werba die Einstudierung verantwortete – nicht an akustische Grenzen geführt zu werden. Engagiert und einfühlsam begleitete der ebenfalls noch junge Dirigent Vinzenz Praxmarer. Er ist schon durch die Assistenz bei der Festspiel-„Così“ mit dem Werk hörbar bestens vertraut .
Angekündigt als konzertante Aufführung, wurde es dank Regisseur Wolfgang Gratschmaier aber mehr: eine in sich schlüssig halb-szenische Lösung, die mit durchaus interessanten Aspekten und amüsanten Lösungen für dieses eigentlich absolut bösartige Spiel um und mit der Liebe aufwartete. Das wurde auch deutlich, weil die Übertitelung eine sinnrichtig getreue Übersetzung der Worte von Lorenzo da Ponte bot. Dieser verlagerte die angeblich wahre Handlung aus Wiener Neustadt ins weiter südliche Neapel (ein anderes „Nea polis“) und benutzte, um Problemen mit der katholischen Geistlichkeit vorzubeugen, auch das schwer zu verstehen dortig lokale Idiom.
Eine Überfülle einflussreicher Details wäre zu würdigen. Etwa gleich am Beginn, zum Triumvirat Ferrando, Guglielmo und Don Alfonos vor dem Orchester, das aus Reihen der Streicher auch den marginalen „Bella vita militar!“-Chor erschallen ließ. Da waren gleichzeitig dem Schwesterpaar Fiordiligi, Dorabella im Hintergrund rhythmische Gymnastikübungen verordnet. Zum Duell der beiden Liebhaber liehen diese sich dann Violinbögen aus, und zu Doktor Messmers Magnet-Heilung via Kardioversion dienten zwei Bügeleisen.
Niels Muus, Leiter der Opernklasse der MUK/Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, besetzte das von ihm betreute Gesangssextett unterschiedlich und charakteristisch. Wobei Chinesin Xin Wangs Sopran als Fiordiligi vorerst in ihrer „Felsenarie“ nicht ohne Schärfe in den Höhen blieb, gerade im Kontrast zur einzigen Österreicherin im Team: Dorabella Anna-Katharina Tonauer bestach auf Anhieb schon in ihrer ersten Arie „Smanie implacabili“. Der chinesische Tenor Hanzhang Tang mischte in den lyrischen Fluss von „Un'aura amorosa“ metallisches Timbre, während Kristján Jóhnnesson aus Island seinen Gefühlen in „Non siate ritrosi“ und, im Erkennen als letztendlich auch ebenso betrogener Gulielmo, im eigentlich emotional erschütternden „Donne mie, la fate a tanti“ baritonalen Schmelz lieferte.
Die Fäden der nur bedingt komödiantischen Verwechslung zog als Don Alfonso der profunde Bass des Koreaners Minsoo Ahn. Despina als kokett altersweises „Kammerkätzchen“ in allen Facetten bis hin zur Karikatur des Notars war bei der temperamentvoll spritzigen Ukrainerin Nataliya Stepnanyak bestens aufgehoben. Der Erfolg war eindeutig, auf eine Fortsetzung im kommenden Jahr darf man gespann warten.