Kirchtage sind Lastertage

HINTERGRUND / RUPERTIKIRTAG

20/09/19 Heute Freitag (20.9.) zur Mittagsstunde ist der Rupertikirtag eröffnet worden. Wie es sich gehört mit einem Festumzug der Salzburger Bürgergarde und der Trachtenmusikkapelle Maxglan, mit dem Hissen der Marktfahne durch den Salzburger Hanswurst Johannes Rupert Franz. Auch der Bieranstich darf zu dem Anlass nicht fehlen.

Von Reinhard Kriechbaum

Etwas über achtzig Kirtage und Krämermärkte listet die Salburger Wirtschaftskammer aktuell fürs Bundesland Salzburg auf (die unzähligen Weihnachtsmärkte natürlich nicht mitgerechnet), dazu noch ein paar „Gelegenheitsmärkte“, die nicht jedes Jahr stattfinden. Das ist nicht wenig bei 119 Gemeinden im Bundesland. „Kirchtage sind Lastertage“, sagte man einst stirnrunzelnd in Hinblick darauf, dass der geistliche Inhalt – im Regelfall das Fest der Kirchweihe oder ihres Hauptpatrons (dann spricht man von Patrozinium) – der eigentliche Anlass war und nicht der Markt. Straßenfeste, wie sie jedes halbwegs initiative Orts-Marketing unterdessen selbstverständlich organisiert, sind also keine neuzeitliche Erfindung.

Manchmal wurde es der Obrigkeit auch zu bunt: In der Zeit der Aufklärung kam Kaiser Josef II. auf die Idee, dem buntscheckigen Kirtagstreiben den Garaus zu machen und den regionalen Lustbarkeiten-Tourismus einzudämmen. Er hieß die Kirche, das „Kirchweihfest“ einzuführen. Alle Pfarren sollten gleichzeitig feiern, am dritten Sonntag im Oktober. Wen wundert's, dass das nicht wirklich funktioniert hat? Immerhin, der ungeliebte, bei unseren Kärntner Nachbarn als „Allerweltskirtag“ diffamierte Termin steht als „Jahrestag der Weihe der eigenen Kirche“ zumindest theoretisch noch im Direktorium (dem liturgischen Kalender der katholischen Kirche). In der Erzdiözese Salzburg ist er am Samstag vor dem 3. Sonntag im Oktober.

Besteigen wir lieber das Kettenkarusell und schauen uns das Treiben auf dem Rupertikirtag um den Salzburger Dom quasi im Vorüberfliegen an: Dieses Ringelspiel, das immer am gleichen Platz vor dem Glockenspiel aufgebaut wird, ist das Prunkstück schlechthin. Es stammt aus dem Jahr 1848 und wird nur an diesen paar Tagen im Jahr rund um den 24. September (dem Fest der Heiligen Rupert und Virgil) in Betrieb genommen.

Kaiser Otto II. verlieh 996 der Stadt das Marktrecht, sprich: jenes auf einen täglichen Markt. Dazu gab es zwei Jahrmärkte, einen in der Fastenzeit (er ist im Stadtrecht des 14. Jahrhunderts genannt) und den noch älteren Herbstmarkt zum Fest des Landesheiligen. Die älteste Nachricht vom Rupertikirtag datiert aus dem Jahr 1331, da wird ein Markt in einer Nonnberger Urkunde als „sant Ruobrechts tult in dem heribst“ bezeichnet. Das Wort „tult“ meint „Dult“, und dieses Wort wiederum leitet sich von „dulden“ ab. Geduldet wurde, dass Händler von auswärts ihre Stände aufstellten und Waren anboten. Kaiser Friedrich III. gewährte 1481/82 eigene Jahrmarkts-Privilegien.

Wechselhaft war die Geschichte dieses Marktes nicht nur in geographischer Hinsicht (Mirabellplatz, Franz-Josef-Straße, Hofstallkaserne im heutigen Festspielbezirk oder Volksgarten). 1977 sorgte Erwin Markl, ein Wirtschaftstreibender, dafür, dass der Rupertikirtag wieder rund um den Dom stattfindet. Laut Veranstalter (dem Altstadt-Marketing) kommen jedes Jahr rund 150.000 Besucher zum Rupertikirtag.

Einzigartig ist das Ambiente, stimmungsvoll auch das Retro-Flair, ein Tingeltangel zwischen Autodrom und altmodischer Geisterbahn, Schießbude und Zwergen-Eisenbahn, Riesenrad und das Sturmsegler-Ringelspiel. Residenz- und Kapitelplatz sind voll mit Fahrwerken. Für Volkstanzgruppen und Brauch-Vereine bietet der Rupertikirtag eine willkommene Bühne, auch für die Drucker, die ihr Gautschen hier abhalten. Weniger spektakulär: die Freisprechfeier der Maler und Tapezierer (heute, Freitag, Nachmittag).

Immer wieder kommt scheinbar Altmodisches neu hinzu: „Mein Kaffeetassenkarussell Easy Dizzy erwarb ich 2016 von der Firma Glier Josef“, erzählt Gerhard Wiesbauer. „Seit einigen Jahren war es schon mein Traum, dieses Karussell zu besitzen und im Frühjahr 2016 hat es dann endlich geklappt und ich machte mich als Kleinunternehmer selbstständig.“ Gerhard Wiesbauers Familie ist seit je her am Rupertikirtag vertreten. „Ich bin ein geborener Gschwandtner“ sagt Wiesbauer stolz, „früher habe ich mit meinem Vater Peter Gschwandtner das Riesenrad aufgebaut und betrieben. Nun kann ich eine Familientradition fortsetzen.“

Auch Christina Stampfer ist Rupertikirtag-Urgestein: „Wir sind ein kleines Schaustellerunternehmen aus Oberndorf“, sagt sie, die nicht nur Schießbuden betreibt, sondern auch ein Kinderkarussell. Und die Krönung der Stampfer-Betriebe: die Zuckerwatte- und Popcorn-Maschinen. Die Zuckerwatte gibt’s in allen Farben des Regenbogens, das Popcorn sogar in einer pinken Variante mit Kirschgeschmack...

Man staunt im High-Tech-Zeitalter, dass so etwas wie die Spielbude Aladin nach wie vor zieht. „Das Dosenwerfen ist ein sehr traditionelles Spiel, das noch immer mit viel Begeisterung und Leidenschaft betrieben wird, weiß Karl Schmelzer-Ziringer. „Ziel des Spieles ist es mit unseren selbstgenähten Bällen (Fetzenlaberl) eine Pyramide von 10 leeren Blechdosen vom Brett zu werfen.“

Der Rupertikirtag dauert bis 24. September – https://www.salzburg-altstadt.at/de/rupertikirtag
Bilder: dpk-klaba