Liebe in der Zugluft

LITERATURHAUS / DANIEL GLATTAUER

22/01/25 „Was befähigt einen Autor, über die Liebe zu schreiben?“, fragt die Zufallsbekanntschaft im Zug den Autor von Liebesromanen. Er darauf abwehrend. „Ihre Frage ist klüger als jede Antwort darauf.“ Aber sie fragt hartnäckig weiter.

Von Reinhard Kriechbaum

In einem Zug heißt das eben erschienene neue Buch von Daniel Glattauer, das er gerade auf Lesereise bewirbt. Morgen Donnerstag (23.1.) macht er im Literaturhaus Salzburg Station. Gar nicht verwunderlich, dass dieser Termin des Autors von Bestsellern mit unmittelbar aus dem Leben gegriffenen Inhalten schon ausverkauft ist. „Restkarten für den Nebenraum an der Abendkassa möglich“, verspricht die Website immerhin.

Eduard ist seit einer halben Ewigkeit glücklich verheiratet. Als Autor von Liebesromanen hat er sich einen Namen gemacht, hat aber mittlerweile jede Lust an diesem Metier verloren. Und im Zug zwischen Wien und München hat er absolut nicht die Absicht, mit der Frau, die ihm gegenübersitzt, ins Gespräch zu kommen. Schon gar nicht, mit ihr über seine Bücher zu sinnieren. Und erst recht nicht, über seine Ehejahre mit Gina zu reflektieren. Aber Catrin, von Beruf Psychotherapeutin, lässt nicht locker. Ungeniert stellt sie indiskrete Fragen, lässt kein gutes Haar an Langzeitbeziehungen, möchte aber gleichzeitig alles darüber erfahren. Kurzum: Catrin will über die Liebe reden. Als Physio- und Psychotherapeutin fühlt sie sich wohl für Leib und Seele ihres Gegenübers zuständig – und bringt ihren zufälligen Reisebegleiter in ziemliche Bedrängnis.

Mit Gut gegen Nordwind (2006) hat Daniel Glattauer, Jahrgang 1960, so recht Furore gemacht. Mit ihrer Bühnenfassung dieses „Email-Romans“ haben Anita Köchl und Edi Jäger im Kleinen Theater über viele Jahre eine dauer-zugkräftige Nummer gehabt. Die beiden hatten die Welt-Uraufführung im Posthof Linz gespielt, auch in Innsbruck gab es Aufführungen.

Emails, mein Gott! Heute täte man sich eher WhatsApps schicken oder auf X oder Facebook kommunizieren – aber Glattauers Protagonisten sind nun wieder auf analoger Schiene – und Schiene im Wortsinn – unterwegs. Der Dialog ist so anders nicht: Im Schreiben/Reden werden Verhaltensmuster und Seelenbefindlichkeiten hinterfragt und aufgedröselt. Und der Dialog entwickelt nicht wenig Eigendynamik.

Aber erst mal: „Die Frau und ich tun schräg gegenüber voneinander seit gut fünfzehn Minuten tatsächlich nichts. Das ist revolutionär.“ Sie spielen nicht mit dem Handy herum. Keine schlechte Ausgangsbasis für ein Gespräch, egal ob gewollt oder ungewollt.

O-Ton Glattauer: „Menschen, die einfach einmal nichts tun, fallen sofort auf. Denn wir leben in einer Zeit, wo man nach zehn Sekunden Nichtstun, also ohne multimedial vollstreckte Ablenkung, normalerweise in ein Loch fällt. Überhaupt im Zug, da fällt man in ein Loch und atmet Zugluft, das ist an sich eine ernstzunehmende Vorstufe zur Depression.“

Glattauer war, bevor er die literarische Bühne betrat, zwanzig Jahre lang Journalist beim Standard. Sein Namenskürzel dag war ein Markenzeichen im „Einserkastl“. Die Lebensnähe des journalistischen Tages-Kommentators und Feuilletonisten hat er hinübergezogen in seine schriftstellerische Tätigkeit. Seine Romane und Theaterstücke, übersetzt in über vierzig Sprachen, wurden aus gutem Grund verfilmt und weltweit millionenfach verkauft. In einem Zug hat die Kritik durchaus gespalten, einen „Wohlfühlroman mit angemessen interessanten und witzigen Dialogen“ entdeckte die kritikerin in der Frankfurter Rundschau, man sei – wie auf einer echten Zugfahrt – aber auch „froh, wenn die Fahrt vorbei ist“, urteilte ein Schweizer Kollege.

Lesung Daniel Glattauer, „In einem Zug“. Donnerstag (23.1.), 19.30 Uhr, Literaturhaus Salzburg – www.literaturhaus-salzburg.at
Bild: Literaturhaus Salzburg / Heribert Corn