Ein richtig mieser Krimiautor

BUCHBESPRECHUNG / LANGENEGGER / DORFFRIEDEN

07/10/16 Was passiert, wenn sich der Protagonist eines Romans gegen seinen Autor auflehnt? Wenn er unzufrieden ist mit der Geschichte, die er ihm verpasst hat? Und was, wenn er versucht, den Autor zu überlisten und seine Geschichte selbst in die Hand zu nehmen? - Der Leser verbündet sich mit dem Polizeiwachtmeister Wattenhofer gegen den Autor Langenegger.

Von Christina König

Polizeiwachtmeister Wattenhofer hat ein ruhiges Leben. Morgens fährt er mit dem Elektrorad zur Arbeit, weil er gern etwas Bewegung hat. In seiner Freizeit trainiert er die Fußball-Junioren, deren Wimpel er stolz an den Rückspiegel seines Dienstwagens hängt. Und sein größtes Problem ist sein tränendes Auge, das er regelmäßig mit Tropfen beruhigen muss. Auch seine Arbeit bietet wenig Abwechslung. Er unterrichtet Schüler in Verkehrskunde, stellt jeden Freitag seinen Papierkorb auf den Tisch, um den Sauberkeitskodex seines Vorgesetzten einzuhalten, und seine spannendsten Schlachten trägt er mit Kindergummistiefeln aus, die von Regalbrettern auf seinen Kopf fallen.

Das ist auch ganz gut so. Wattenhofer hat es gern ruhig. Er will keinen Mafiaboss in actionreichen Verfolgungsjagden voller quietschender Autoreifen und spritzenden Blutfontänen verhaften und er will auch keine Geliebte mit Handschellen an eine Heizung fesseln. Er mag seinen Job, seine langjährige dramenfreie Ehe und seinen inzwischen erwachsenen unproblematischen Sohn. Er hat kein gesteigertes Interesse am Abenteuer.

Nur manchmal, da fragt er sich schon, warum er kein Leben führt, wie der Kommissar in diesen schwedischen Kriminalromanen, die seine Frau Helen so gern liest. „Gibt es jemanden, der eine böse Freude daran hat, dass er Tag für Tag in diesem Büro sitzt, wo alles nach neu und teuer riecht, wie es vermutlich noch fünfzig Jahre riechen wird, weil kein nasser Hund, kein Blut und schon gar keine Leiche daran etwas ändert? Wenn es sie gibt, diese Instanz … muss es sich um einen lausigen Erzähler handeln.“ Dann beginnt Wattenhofer zu schimpfen – über diesen Autor, dem es nicht gelingt, sich eine ordentliche Geschichte für ihn auszudenken.

Dieser Autor ist Lorenz Langenegger und als Leser sieht man ihn regelrecht vor sich, wie er grinsend vor seinem Roman sitzt und den Protagonisten über ihn maulen lässt. Und der Leser grinst mit, wie Wattenhofer seinen Autor als „dilettantisch“ bezeichnet, als unreifen Bengel, der keine Ahnung vom Schreiben hat, mit billigen Tricks um die Gunst des Publikums buhlt und für den das alles vielleicht bloß ein Schulaufsatz ist. Amüsant und herrlich genervt gibt Wattenhofer seinem Autor die Schuld an allem, angefangen bei den roten Ampeln auf der Straße bis zu Eheproblemen, und droht ihm auch ganz gern mal. Eins ist Wattenhofer klar: Von dem Kerl lässt er sich nicht herumkommandieren!

Und als dann plötzlich der Schlüssel zu einem Garderobenschränkchen in einer leeren Zigarettenpackung auftaucht und Wattenhofer ein zerrissenes Foto von seinem Sohn in einer Sporttasche findet, beschließt er, dem Fall nachzugehen und es seinem Autor zu zeigen. Aber dann wird der Fall größer. Und größer. Und bedroht schließlich Wattenhofers heiles Familienleben. Aber er folgt den Hinweisen bis zum Schluss – wo sein Autor vielleicht doch noch eine kleine Überraschung für ihn parat hat.

Langenegger gelingt es nicht nur, die Mauer zwischen Autor und Protagonist niederzureißen und sich selbst mit einem Augenzwinkern als übergreifende Instanz in den Roman zu setzen, er beschreibt das Leben eines kleinen unaufregenden Mannes und seinen kleinen unaufregenden Fall auf eine Weise, dass alles plötzlich größer und wichtiger wirkt. Wattenhofer muss kein CIA-Agent mit schwarzer Sonnenbrille werden, um ein echter Held zu sein. Und das gesteht ihm Langenegger letzten Endes zu: „Auch wenn es da oben jemanden gibt, der sich die Finger wundschreibt, er wird Wattenhofer nie gerecht werden können.“

Lorenz Langenegger: Dorffrieden. Roman. Jung und Jung, Salzburg 2016. 192 Seiten, 19 Euro. Auch als e-book erhältlich – jungundjung.at