Es hat irre viel Spaß gemacht

HINTERGRUND / 30 JAHRE RADIO BONGO 500

22/12/22 „Einmal wurde jemand von uns wegen Kirchenkritik von der Staatspolizei vorgeladen. Die Stimme wurde mit dem Mitschnitt verglichen, wenn auch erfolglos.“ Wolfgang Hirner war Aktivist der ersten Stunde bei Radio Bongo 500, dem Vorläufer der heutigen Radiofabrik. Er könne sich bis heute die „verrückte Verfolgung durch Innenministerium und Funküberwachung der Post nicht erklären“.

Österreich war in den 1990ern mit Albanien das letzte Land Europas mit einem Monopol des staatlichen Rundfunks. Ausgehend von Wien entstanden im ganzen Land ab 1991 Piratenradio-Stationen, die diese anachronistische Situation in Frage stellten und das Recht von privaten Initiativen und Unternehmen für den Betrieb eines Rundfunksenders einforderten.

In Salzburg war es Radio Bongo 500, das ab 23. November 1992 einmal pro Woche eine halbe Stunde Piratenradio von den Bergen um die Landeshauptstadt ausstrahlte.

Ein Großteil der Aktiven waren Studierende der Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg, wo sogar einige Lehrende das illegale Radio öffentlich unterstützten, darunter die heutige Linzer Universitätsprofessorin Martina Gugglberger, und ein Einlenken des Staates hin zu einer pluralen elektronischen Medienlandschaft einmahnten. „Der illegale Piratensender Radio Bongo 500 half mit, das österreichische Rundfunkmonopol zu beenden und ebnete den Weg für den Sendestart der Radiofabrik sechs Jahre später.“

Welchen skurrilen und auch bedrohlichen Situationen das Projekt damals ausgesetzt war, erzählt Wolfgang Hirner, Aktivist der ersten Stunde bei Radio Bongo 500, dieser Tage in einem Interview mit Daniel Bergerweiss für das Magazin „unerhört!“ auf Radiofabrik. Das Interview ist im Archiv nachzuhören: „Die Aktivistinnen waren einer Verfolgung mit Hubschrauber-Einsätzen, Verhaftungen und Bedrohung mit Dienstwaffen der Exekutive ausgesetzt, die heute unverständlich wirken“, so Wolfgang Hirner dreißig Jahre später.Bis heute könne er sich die „verrückte Verfolgung durch Innenministerium und Funküberwachung der Post nicht erklären“.

Zuletzt wurde er selbst im Oktober 1993 auf dem Gaisberg verhaftet – Hubschraubereinsatz und gezogene Dienstwaffe inklusive – und mehrere Stunden festgehalten. Zu einer Strafe kam es nie, am Tag seiner Vorladung war Österreich gerade vom Europäischen Gerichtshof EUGH wegen des Rundfunkmonopols selbst verurteilt worden.

„Die Radiofabrik, aber auch unsere gesamte demokratische Gesellschaft, ist den damaligen Pirat:innen zu Dank verpflichtet. Sie sind ein historisches Beispiel für gewaltfreien, aktivistischen Widerstand gegen einen Staat, der Grundrechte vorenthält“, sagt Alf Altendorf, der kaufmännische Geschäftsführer der Radiofabrik. Altendorf war früher selbst beim Piratenradio in Wien aktiv. Nicht vergessen werden dürfen die vielen weiblichen Aktivistinnen, so Alf Altendorf: „Die Radiofabrik hat auf einer Sonder-Webseite zu Radio Bongo deshalb auch feministisches Material gesammelt und veröffentlicht.“ „Es hat irre viel Spaß gemacht, und wir konnten politisch etwas bewegen“, resümiert Wolfgang Hirner im Interview. Sechs Jahre nach Radio Bongo 500 war er der erste Geschäftsführer des dann legalen Freien Radios Salzburg. (Radiofabrik / dpk)

Zum Nachhören – „unerhört!“ mit Wolfgang Hirner vom 17. November unte – cba.fro.at 
Zur Sonderwebpage mit Materialsammlung Radio Bongo 500 – radiofabrik.at
Bilder: Radiofabrik